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Rückkehr zur dämonischen Leinwand
Hindernisse und Chancen des deutschen Genrefilms
Podiumsdiskussion am 13. Februar 2014 auf der GENRENALE2
#00:00:00-0# Mark Wachholz: Willkommen auf der Podiumsdiskussion. Wir schreiben das Jahr 1994. Ein Film, der 12 Millionen DM gekostet hat, hat 170.000 Zuschauer. Er floppt damit. Der Film hieß „Die Sieger“ von Dominik Graf. Es wird über den Film gesagt – ich weiß nicht, ob es nicht vielleicht sogar Dominik Graf selber war, es würde passen – dass damit der Traum des des deutschen Genrefilms ausgeträumt war. Nun sind 20 Jahre vergangen, wir haben das Jahr 2014. Wir leben in einer Zeit, in der wir zumindest das Gefühl haben, dass der deutsche Genrefilm ein Nischendasein führt, dass er sich nicht erholt hat, in den Zeiten in denen er vielleicht einmal groß war. Wenig Untersützung bekommt in der Filmbranche, wenig Leute ins Kino gehen, um deutsches Genrekino zu gucken. Wir wollen uns heute damit beschäftigen, woran das liegt, was getan werden kann, was Gründe sind, warum wir das zumindest so wahrnehmen, stimmen alle Hypothesen und Empfindungen die man zu diesem Thema hat.
#00:01:29-3# Mark Wachholz: Das sind meine Gäste: Professor Klaus Keil, war Ex-Filmboard-Intendant und war dort als Förderer tatsächlich allein entscheiden können. Dies ist beim Medienboard so eine Ausnahmen, sonst sind es immer Gremienentscheidungen. Damit hatte er sehr viel Entscheidungen und Last auf eigenen Schultern getragen. Er war auch lange Zeit als Direktor des Erich Pommer Instituts tätig und war als Dozent an der HFF München und der HFF Potsdam tätig.
#00:02:05-0# Mark Wachholz: Neben mir sitzt Norbert Maaß, Dramaturg und Medienwissenschaftler. Er hat sich insbesondere im letzten Jahr, aber auch in den Jahren davor, näher mit der analytischen, erzählerischen, dramaturgischeren Seite von deutschen Genrefilm beschäftigt, hat selber auch als Dramaturg deutsche Genrefilm betreut und ist Mitglied im Vorstand des deutschen Dramaturgenverband.
#00:02:31-9# Mark Wachholz: Links von mir sitzt Benjamin Munz, Producer bei Rat Pack Filmproduktion in München. Einer der wenigen deutschen Produktionsfirmen, die immer wieder regelmäßig versuchen Genrefilme in Deutschland und aus Deutschland zu machen. Er hat dieses Jahr mit dem Film „Tape 13“ auf der Berlinale einen Found Footage Film präsentiert und befindet sich gerade in der Postproduktion für einen Creature-Feature-Horror-Comedy-Film, „Stung“, über Rieseninsekten, die ein Gartenparty kaputt machen. Der Film kommt voraussichtlich 2015.
#00:03:18-4# Mark Wachholz: Daneben sitzt Christian Alvart, fast schon ein Genre-Veteran. Regisseur von Filmen wie „Antikörper“, „Pandorum“ oder „Bank Lady“, arbeitet seit einigen Jahren an der Umsetzung eines Captain Future Projekts, welches ein großes Herzblut-projekt von ihm ist.
Er arbeitet mit seiner eigenen Produktionsfirma „Syrreal Entertainment“ auch als Produzent mit einem speziellen Genrelabel, in dem auch aktuell Stoffe in Entwicklung sind.
#00:04:02-1# Mark Wachholz: Ganz außen, auch wenn er eigentlich in die Mitte gehört, Krystof Zlatnik. Auch als Regisseur tätig, eines der Gründungsmitglieder des NEUEN DEUTSCHEN GENREFILMS, der Bewegung, in der sich Genrefilmer aus dem deutschsprachigen Kulturraum zusammen gefunden haben und Mitinitioator der GENRENALE, auf der wir uns hier alle befinden. Aktuell arbeitet er an LAND OF GIANTS; was letztes Jahr als Teaser auf der GENRENALE1 gezeigt wurde, eine Endzeit-Martial-Arts-Actionserie, und der auch einer der Gründe war, warum die GENRENALE überhaupt ins Leben gerufen wurde.
#00:04:54-1# Mark Wachholz: Herzlichen Willkommen zur Podiumsdiskussion, „Rückkehr zur dämonischen Leinwand – Hindernisse und Chancen des deutschen Genrefilms“
#00:05:04-9# Mark Wachholz: Bis jetzt habe nur ich gesprochen, und das wird auch noch einige Minuten so weiter gehen. Ich will kurz, nur damit wir alle auf einem Stand sind, einige Erklärungen liefern, was Genrefilme sind. Es sind sicherlich etliche Interessierte hier, die sich damit auseinander gesetzt haben, aber vielleicht auch ein paar Neue. Und besonders, wenn wir das Podium nach Außen geben, soll es ja auch die erreichen, die sich noch nicht damit beschäftigt haben.
#00:05:32-8# Mark Wachholz: Es ist klar, so gut wie jeder Film einem Genre zugeordnet werden kann, egal ob „Krimi“, „Romantic Comedy“, oder „Musical“. Aber unter dem Begriff „Genrefilm“ hat sich eher eine Gruppe von Genres etabliert, die zum Einen der Phantastik-Trias Horror/Science-Fiction/Fantasy zuzuordnen sind. Darum kreisen wiederrum Genres „Thriller“, „Mystery“, „Film Noir“. Es gibt keine genaue Definition, jeder weiß ungefähr, was damit gemeint ist, aber eine richtigen Breakdown, was einen Genrefilm von anderen Filmen und Genres abhebt, ist schwer zu sagen. Es gibt einige Elemente, die man schon festhalten kann: Zum Einen handelt es sich um eine sehr illiusionischstes Kino, ein sehr metaphorisches Kino. Diese Genres werden bestimmt von illusionischsren Elementen, die über der Realität stehen, Außer-realistisch sind.
Hier besonders im Bereich „Horror“ und „Mystery“ sowie „Fantasy“. Das ist nicht die Lebenswelt, in der ihr so lebt. Außerdem ist es ein sehr eskapistisches Kino, es will explizit diese Realitätsflucht veranstalten. Und es will vor allem Affekte bedienen, es will sehr tiefe, emotionale und vor allem reflexartige Reaktionen beim Zuschauer auslösen. Es will damit sehr manipulativ sein, es will in gewisser Weise sogar übersteigern.
Im englischen bringt es das Wort „Exploitation“ auf den Punkt. Es will außerdem überwältigen. Dies ist durchaus ein Begriff, der immer wieder gern mit einem Kino verbunden, dass eher zwischen 1933 und 1945 passiert ist, das „Überwältigungskino“. Dadurch ist der Begriff sicherlich auch stigmatisiert, aber eigentlich will der Genrefilm genau das. Und in anderen LÄnder passiert auch genau das, ist das gewollt. Und dafür gibt es auch ein großes Publikum, was sich liebend gern überwältigen lässt. Als letzter Punkt ist es auch ein Kino des Staunens, des „Sense of Wonders“, also dass, was wir eigentlich gerne als Menschen machen, ein wenig konditioniert sind vielleicht, aber auch das muss man erstmal auf der Leinwand hinbekommen. Es gibt dann noch weitere Askepkte, wie „Ikonenhaftigkeit“, dazu neigt, das ikonische Elemente und Figuren auftauchen und damit auch eine gewisse Verbindung zum Fantum aufweist. Es gibt wenige große Fanclubs der Berliner Schule oder des Dramas, aber eben sehr viel im Genrebereich. Soviel zur Einleitung.
#00:09:17-0# Klaus Keil: Vielen Dank, schöne Definition. Breit, ausführlich. Wieviel ist hängengeblieben? Was ist ein Genrefilm? Was ist das, wo kommt das her? Ich glaube, da beginnt es, wenn man etwas für Genre machen will, dann beginnt es damit klare, knappe, knackige, gute Definitionen zu haben. Genre ist…. So dass ich Lust bekomme. Dann können wir anfangen. Entschuldige, wenn ich das gleich am Anfang so sage.
#00:09:43-4# Mark Wachholz: Sehr richtig. Es gibt auch noch andere Begriffe auch für den Genrefilm. Das Wort ist nicht ganz gut, muss man ehrlich sagen, es ist zwiedeutig und kann falsch verstanden werden kann. Andere Begriffe, die man versucht hat zu finden, sind: „Der Publikumsfilm“, was eigentlich noch wager ist. Da wurde erst gestern auf der Berlinale drüber gesprochen. „Gibt es den Publikumsfilm?“ Aber der kann eben auch andere Genres einschließen, die ein Publikum anziehen. Es gibt etwas mehr aus der Filmwissenschaft, den „performativen Film“, also Filme die sich der Performanz verschreiben, was eigentlich schon ganz catchy ist. Und sehr altbacken ist das Wort „Spannungskino“, das ist immer sehr abwertend gemeint. „Ah, nun verfällt der Film wieder in die Elemente des Spannungskinos“. Aber eigentlich finde ich den Begriff fast am besten, denn den meisten Genrefilmen geht es darum eine psychische oder eine körperliche Anspannung zu provozieren. „Überwältigungskino“, auch der Begriff ist ein wenig belegt. Aber klar, wir können auch gern ein neues „Überwältigungskino“ verlangen.
#00:10:54-3# Mark Wachholz: Ich fange gleich mit einer Frage an, die an alle gerichtet ist. Jeder kann gerne Antworten. Denn ich finde es sehr wichtig, bevor wir über die ganzen Gründe sprechen, warum deutsche Genrefilme nicht so den Erfolg haben, warum sie so sind, wie sie sind, was unser Problem mit ihnen ist und warum wir Festivals Gründen und uns zusammenschließen, steht für mich an erster Stelle die Frage: Was ist eigentlich der Wert für Genre? Also was ist für euch daran so wichtig, dass man es überhaupt braucht? Jeder kann jeder für sich persönlich beantworten.
#00:11:52-4# Krystof Zlatnik: Es geht ja um das, was wir letztendlich propagieren wollen, dass man als Mensch verschiedene Sachen braucht. Verschiedene Arten von Geschichten, verschiedene Arten von Erfahrungen. Und ein großer Teil der Menschen ist durchaus hingezogen zu Erfahrungen im Kino, die einen herausheben aus der Realität, in der man gerade ist. Das basiert auf den alten Prüfungsgeschichten, in Zeiten, als Leute noch in die Höhlen mussten, um selber zu erfahren, dass sie „sterben“ und wieder lebendig werden. Und jetzt sind es eben Filme, an denen wir das durchleben können und je intensiver und größer sie sind, desto intensiver und körperliche sind auch unsere Erfahrungen. Es gibt Filme, die mich intellektuell ansprechen und es gibt auch Filme, die mich sehr direkt ansprechen. Und das einzige Problem das wir haben ist nicht, dass es diese Filme nicht gibt, oder das die Leute nicht wissen, dass sie sie brauchen, sondern dass wir sie hier in Deutschland nicht so schätzen.
#00:13:02-3# Norbert Maaß: Ich finde, es gibt ganz klar eine Urlegitimation, wenn man z.B. in länger zurückliegende Zeiten zurückgeht: Aristoteles schreibt von ganz wichtigen Wirkungsstoffen der Poetik, und zwar von „Furcht“ und „Mitleid“. Und insofern würde ich auch sagen, wenn ich mir überlege wie viele Drehbücher ich als Dramaturg bekomme und was die unterscheidet: dann haben nicht alle mit „Furcht“ zu tun, aber alle haben mit Drama und Genre zu tun, sie sind alle irgendeiner Richtung zuzuordnen, aber mit Furcht und mit besonderen „Affekten“ oder mit besonderen, sozusagen „dämonischen Kräften“ haben sicherlich nur einige zu tun. In dieser Richtung würde ich eher eine Trennschärfe sehen. Das geht wirklich in eine sehr allgemein anthropologische Konstante, die sich quer durch die Kunstgeschichte, Literatur und die gesamte Menschheitsentwicklung zieht. Es ist eigentlich eine erstaunliche Sache, dass so viele Stoffe wenig mit Furcht zu tun haben und das auf der anderen Seite die Furcht-Stoffe, die ich kriege, wenig mit ganz grundlegenden Ängsten und Furchteffekten zu tun haben. Da denke ich, das geht doch viel einfacher und elementarer, das ist doch wirklich etwas ganz universales. Das wird aber eher verkopft behandelt, eher konstruiert. Es wird eher nicht von menschlichen Erfahrungen gesehen, sondern von Film-Erfahrungen.
Ich kriege sehr viele Bücher, die sehr filmrelevant sind, aber sehr wenig lebensnah. Ich denke, wenn man mal wieder furchtorientiert rangeht, dass man damit auch weiter kommt. Zwei andere Sachen noch ganz kurz: Was ist wichtig am Genrefilm? Das wurde schon mal gesagt, das will ich noch mal unterstützen: Wenn ich merke, dass es Fanclubs gibt, Fantasy Filmfest, etc.
Es gibt tatsächlich eine große ideelle Bindung bei Genre-Filmemachern. Die haben wirklich eine andere Beziehung. Da würde ich nicht sagen, es gibt die „Drama-Liebhaber“, oder die „Romantische Komödien-Liebhaber“, die machen das einfach. Aber hier gibt es tatsächlich eine spezielle Bindung, was ich wichtig finde. Leider überträgt sie sich nicht immer auf die Leinwand. Schade, warum auch immer. Es liegt auch vielleicht etwas an der Mischung der Wirkungen, worauf ich noch komme. Und das Dritte ist ganz klar, dafür ist auch Christian Alvart ein gutes Beispiel: Genre ist vor allem auch die Chance international wahrgenommen zu werden. Man kann die ganze Reihe der Regisseure, die das gemacht und geschafft haben, (ich hab selber mit Christian Becker „Seven Days to live“ im Weltvertrieb gehabt und gesehen welche Siebenstelligen Zahlen man damit im Weltvertrieb machen konnte) Sebastian Niemann, Oliver Hirschbiegel, etc. Man kann sie alle nennen. Genre ist eine Visitenkarte, die einen sehr schnell in neue Höhen katapultiert. Das kann mit Drama und Komödie im ähnlichen Bereich nicht machen.
#00:16:09-0# Mark Wachholz: Norbert und Krystof, ihr habt beide jetzt Begriffe genannt, ich gehe da mal einen Schritt zurück: „anthropologisch“, letztendlich Erfahrungen, Initiationsriten, die früher in alten Kulturen noch physisch waren (darauf wolltest du wahrscheinlich hinaus), und wir zumindest in Geschichten noch mal miterleben. Das klingt so etwas danach, dass Genrefilme als solches eine mythische Kraft haben und eine Art modernen Mythos darstellen oder das übernehmen, was früher Mythen gemacht haben?
#00:16:43-2# Norbert Maaß: Sie könnten das, sie könnten wirklich eine mythische Kraft erlangen. Also auch wenn man hier das Titelbild: „Dämonische Leinwand“ sieht. Das ist zb auch eine urdeutsche expressionistische Kraft, die da drin steckte, was da veräußerlicht wurde, was damit ausgedrückt wurde. Also auch in den Grimmschen Märchen stecken eine ganze Menge mythische, dämonische Kräfte drin. Die könnten noch mal viel elementarer angepackt werden und viel mehr von ihrem Grunderfahrungsgehalt her gesehen werden. Und dann noch mal versuchen von da aus zu gehen… Und wie gesagt, eine Einsicht die ich in den Jahren mit Genrestoffen bekommen habe: Es geht zu sehr über „Ich hab wahnsinnig viele Filme gesehen, und ich kann es jetzt – ich weiß es jetzt und ich hab alle Varianten von Torture Porn gesehen, etc.“ Ist das wirklich so wichtig? Muss man nicht wirklich viel mehr an Urerfahrungen und mythische Kräfte ran?
Ich denke nur als Beispiel: Es gibt da ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell im Kino: das ist ein Mensch, den ich seit 15 Jahren schon kenne, damals war er bei Miramax: Jason Blum, hat damals „Jenseits der Stille“ gekauft und Blumhouse gegründet und hat mit Blumhouse eine ganz einfache Regel aufgestellt:
Billige Filme zu größtmöglichen Erlösen. Er hat in Sieges mit Paranormal Activity usw. eine ganze Reihe von Filmen entwickelt, entwickelt weiter und hat einen unglaublichen Lauf da drin, weil das so gut aufgeht: Ganz elementare Geschichten, ganz einfache Ängste, ganz einfache Angstmodelle, die immer wieder funktionieren. Und ich frag mich immer wieder, warum gibt es das hier nicht? Das ist so ein einfaches Modell. Der kam auch von der Filmwissenschaft, von Sales, Marketing und Distribution. Der hat sich das einfach irgendwann mal vorgenommen und hat das jetzt 10 Jahre unglaublich erfolgreich gemacht. Niemand macht es ihm nach. Das ist eigentlich erstaunlich.
#00:18:50-3# Mark Wachholz: Hat darauf jemand hier eine Antwort, warum es in Deutschland offenbar schwer fällt, mythisch zu erzählen?
#00:18:58-5# Christian Alvart: Ich bin auch bei der ersten Frage noch nicht zu Wort gekommen, warum wir überhaupt Genre brauchen. Da haben wir sehr viele intellektuelle Antworten gehört, die alle richtig sind und die ich auch so unterschreiben kann. Aber ich finde auch, dass das, was wir Genre nennen, die Urform des Geschichtenerzählers imitiert. Ich sehe mich ja wirklich in der Tradition… wenn man bis zum Steinzeitmenschen zurückgeht, am Lagerfeuer abends gab einen, der Geschichten erzählt. Und ich glaube nicht, dass der gesagt hat, dass zwei durch den Wald gehen und die diskutieren ihre Eheprobleme, sondern der hat dann natürlich sehr sehr schnell ein Monster mit in den Wald gesteckt, weil der an seinem Publikum gemerkt hat, dass die viel gebannter zuhören, wenn es gefährlich wird. Und das sehe ich auch im Kino, das ist auch in meiner Kinosozialisation so gewesen, wenn es spannend wurde, dann habe ich an dem Film viel mehr Teil genommen und da möchte ich ganz platt sagen, bin ich süchtig geworden nach diesem Medium. Also ich schaue auch gerne alle Genres und alle Arten von Filmen, ich bin da auch gar nicht so, dass mir das nicht auch mal Freude bereitet, aber die Ursucht überhaupt ins Kino zu gehen kommt eindeutig mit der Spannung und der düsteren Atmosphäre und dem reingesaugt werden in den Film. Da gehört Angst mit dazu und ich sage mal positiv: Angst ist nicht nur Angst vorm Sterben, aber selbst wenn ich einen Beziehungsfilm machen würde, dann möchte ich möglichst große Angst um die zwei Leute haben, um deren Beziehung es geht. Ich finde Spannung ist in jedem Genre, selbst in der Komödie, elementar wichtig und das wird in Deutschland grundsätzlich sehr viel vergessen. Ich sage mal, das Gegenteil von Spannung ist Langeweile und die möchte ich eigentlich immer vermeiden.
Das habe ich gemein mit dem Erzähler am Lagerfeuer, der merkt „Oh, die nicken weg… jetzt muss wieder was dramatisches passieren!“ und da ist das Genrekino eigentlich sehr nah dran an dieser Urform des Erzählens. Überwältigungskino ist auch ein schönes Wort und intellektuell, ich finde es ist auch das Jahrmarktskino.
Also das attraktive Kino, wo das Publikum reingeht um erschreckt zu werden, um was zu erleben, um begeistert zu sein, um Adrenalin zu spüren, usw. Ich weiß heute noch, als ich Alien das erste Mal gesehen hab, da war ich 15 Jahre alt. Ich weiß noch genau, was das für ein Tag war, wo ich da war, wie es mir da ging, wie es mir danach ging. Das weiß ich über den ein oder anderen Fassbinder-Film nicht mehr. Und das ist einfach eine Liebesgeschichte. Es hat gar nicht damit zu tun das eine höher zu werten über das andere, aber es ist einfach das was ich liebe und das, was ich mit meinen eigenen Filmen versuche für ein Publikum von heute zu reproduzieren. Wie war die Frage jetzt?
#00:21:40-6# Mark Wachholz: Ja, was sind die Gründe, der Wert von Genre. Das ist schon die Frage und die soll auch gerne sehr verschieden beantwortet werden.
#00:21:50-0# Benjamin Munz: Jetzt redet man immer über Jahrmarkt-Kino, dass da einer aus USA Insidious macht. Wir reden hier ganz klar über Genres, das sind die erfolgreichsten Genres der Welt. Da brauchen wir gar nicht drumherumdiskutieren. Die Top 50 Liste der besten und erfolgreichsten Filme aller Zeiten sind alles Genrefilme, komplett. Egal ob es um Superhelden geht, Menschen mit Superkräften, Batman – Schwarzer Detektiv der nachts als Fledermaus unterwegs ist, Harry Potter, Herr der Ringe, das sind alles ganz klassische Genrefilme. Dass das die erfolgreichsten Genres sind, das wissen wir alle. Das interessante ist, sie kommen nicht aus Deutschland. Keiner dieser Filme kommt aus Deutschland. Es gibt ein paar, klar – Ausnahmen bestätigen die Regel, sag ich jedes Mal. Um noch kurz an den „Jahrmarktsfilm“ anzuschließen, denn da krempeln sich mir immer die Fingernägel hoch, man darf nicht das Wort „Publikumsfilm“ vergessen, so irreführend es auch sein mag, es ist gar nicht so schlecht. Das sind die Filme, die das Publikum sehen möchte. Wie Christian richtig gesagt hat, wir wollen das fucking Monster im Wald. Das ist das, was ich sehen will, wenn ich nach Hause komme. Damit haben wir Filmemacher aber eine Chance und dass ich das hier auf dem Podium sag, hätte ich nie gedacht, aber es geht ja auch drum, den Menschen etwas zu vermitteln und eine Botschaft zu überspielen. Und die Chance haben wir im Genrefilm und auch im phantastischen Film, Menschen eine Botschaft zu bringen. Und dazu muss ich nicht jedes Mal einen Dramafilm gucken, um zu verstehen, dass es OK ist, Homosexuelle zu respektieren. Der Moment, als das in meinem jungem Leben so weit war, dass ich so weit war, dass ich wirklich verstanden hab – und ich bin da ein eiskalter Polemiker – dass es OK ist, dass jeder Mensch jeden Menschen lieben kann und dass es seine Entscheidung ist, war „V for Vendetta“. Und das ist jetzt kein Film bei dem jeder sagen würde: „Oh, klassischer Film so für rechte von Homosexuellen, super…“ Da war es bei mir zum ersten Mal so, dass ich sagte: „Ja man, die haben echt recht. Jeder soll jeden, ja, großartig“
Da war es bei mir so weit und ich hatte zu dem Thema vorher schon viele Dokumentarfilme gesehen und natürlich auch im privaten Umfeld – ich komme vom Dorf, deshalb ist es dann wieder ein anderes Thema. Aber, es geht um die Botschaft, ganz klar. Und die Leute wollen das halt sehen. Es sind die Genres und es ist der Status quo weltweit, ganz klar.
#00:24:06-9# Mark Wachholz: Kathryn Bigelow – Die Regisseurin von „Hurt Locker“ und „Near Dark“ – hat mal gesagt, dass Genrefilme Botschaften überbringen können, ohne „Botschaftsfilme“, bzw „Messagemovies“ zu sein.
#00:24:20-1# Benjamin Munz: Deshalb hat sie einen Oscar und ich nicht.
#00:24:23-0# Krystof Zlatnik: Ja aber, das bringt uns zu unserem Problem hier. Weil ich glaube in Deutschland kann man keine Botschaft bringen, wenn nicht „Botschaft“ drauf steht. Also die Erfahrung hab ich zumindest in meiner bescheidenen Laufbahn von Studentenfilmen gemacht, wenn etwas nach Entertainment aussieht, dann wird es nicht so geschätzt, wobei international das gar keine Frage ist – also ich war auf einem Sciencefiction Festival, wo ein Wissenschaftler die Filme ausgezeichnet hat, der mir dann gesagt hat: „Ja klar will ich erst mal unterhalten werden und dann will ich die Message“ – und das sagt der Wissenschaftler. Aber hier ist es irgendwie so, dass wenn Entertainment vorne dran ist, dann ist es wohl nicht so viel wert. Und so finde ich wird zur Zeit sehr getrennt zwischen was ist reine „Unterhaltung“ – und deshalb mag ich „Publikumsfilm“ nicht, weil was im ZDF am Abend kommt finde ich auch einen „Publikumsfilm“, denn das will das Publikum ja sehen. Dann ist auch „Traumschiff“ Publikumsfilm. Von daher definiert es das für mich nicht so. Ich mag auch nicht, dass so stark getrennt wird zwischen „Das ist nur Unterhaltung und da machen wir uns gar keinen Kopf“, dann ist es z.B. die Komödie. Und wenn du aber mit etwas ankommst, was Horror ist, dann kann das auch keinen Anspruch haben, weil, es ist ja „Unterhaltung“.
#00:25:48-2# Mark Wachholz: Klaus Keil, wir werden bestimmt später noch mal genauer zur Förderung kommen. Eine erste Frage: Schauen sie Genrefilme? Können sie damit was anfangen?
#00:26:00-0# Klaus Keil: Na klar! Na das ist doch klar! Die Wahrheit ist doch, dass fast alle Filme auf ihre eigene weise Genres natürlich sind.
Ob sie zugespitzt sind oder nicht, das ist eine Frage der Qualität des Schreibens, des Umsetzens und des Machens. Und die Frage, die vorhin gestellt wurde war ja:
Warum hat das so einen geringen Stellenwert in Deutschland, der Genrefilm, der klassische Genrefilm? Und das ist ja nicht nur Horror, das ist Mystery und ich weiß nicht was noch alles. Warum ist das so? Ich hab so eine These, ich glaube das rührt auch daher, dass der junge deutsche Film sehr lange sehr verkopft war. Und dass es um Intellektualität ging damals und nicht um die Bildermacht und nicht um Geschichten erzählen und nicht um Emotionen. Das war anders getacktet, das war anders gepolt. Na klar, als Reaktion auf das alte Vaterkino usw. Und ich war ja 25 Jahre Hochschullehrer und hab immer versucht die jeweils neuen Generationen zu überzeugen, dass Emotion, Genre, massenhaft gemacht werden muss, weil Kino eben für Massenpublikum hergestellt wird und nicht eben nur für meine Freunde und mich. Mit jeder neuen Studentengeneration kam das alte Thema wieder auf. Das ist fast wie genetisch verankert. Ich kann mir nicht erklären, woher das kommt. Jedenfalls glaub ich, ist es eine Art von intellektuellem Hochmut, dass man Filme die ihn den Bauch reinfahren und einen packen, dass die nicht so wertvoll sind.
#00:27:40-8# Mark Wachholz: Ist da ein Blick in die Geschichte notwendig? Der „Neue deutsche Film“, der sehr angesehen ist in der deutschen Filmgeschichte, obwohl er glaub ich auch nicht so viele Zuschauer erreicht hat, wollte sich ja schon für die Aufarbeitung einsetzten, die nicht stattgefunden hat nach dem zweiten Weltkrieg, war aber, wie sie sagen, sehr intellektuell. Hat also offenbar versucht ein Trauma auf eine intellektuelle Weise zu verarbeiten, was glaub ich noch nie geklappt hat. Das ist vielleicht auch bis heute so, weil man sich eigentlich mit dem zweiten Weltkrieg nur in möglichst akribischen Dokumentationen, oder auch wieder auf einen faktuell basierten Spielfilm oder so, bezieht. Ist das ein Grund, bzw sind wir mal geschädigt worden als Gesellschaft, dass wir plötzlich nicht mehr mythisch erzählen wollen, weil wir damit schlechte Erfahrungen gemacht haben?
#00:28:38-1# Klaus Keil: Ja also ganz sicher! Wir sind ja im die Wandalen des 20. Jahrhunderts gewesen, mit zwei Weltkriegen, die wir angezettelt haben. Ganz klar, da ist eine kollektive Schuld. Und eigentlich könnte man das vielleicht ein bisschen heilen über Genre, über die Angst über das was passiert ist. Passiert aber nicht. Warum das so ist? Ich bin ja kein Psychologe.
#00:28:57-2# Benjamin Munz: Das ist dann passiert, und wer hast gemacht? Quentin Tarantino!
#00:29:02-4# Klaus Keil: Das stimmt, ganz genau. Das haben die anderen gemacht. Wir nicht. Vielleicht ist es immer noch zu nah dran, das weiß ich nicht. Das was da im 20. Jahrhundert passiert ist, das wird eines Tages in 500 Jahren immer noch wie „Vandalen“ sein, was die damals im dritten Jahrhundert nach oder vierten Jahrhundert nach… Vandalen, dieser Begriff steht immer noch unausrottbar.
#00:29:26-1# Mark Wachholz: Also, ich kann mir vorstellen, wir könnten da noch tiefer reingehen, aber ich mach mal einen Schnitt. Oder Christian, noch etwas dazu?
#00:29:34-4# Christian Alvart: Nein, ich wollte nur sagen, es ist ja gar nicht immer so radikal, wenn ich jetzt einen Horrorfilm mache, dass man dann darüber redet, sondern es ist in meiner täglichen Arbeit mit Redakteuren und Förderern, zieht sich das ja in kleinste Details mit rein. Also es muss gar nicht sein, dass ich einen Horrorfilm mache, sondern selbst wenn ich einen Tatort mache, oder so etwas, dann gibt es einfach Vorlieben in diesem Land. Also es ist ganz einfach so, was Herr Keil auch gesagt hat, mit dem Überwältigen, mit dem Bauch, das ist extrem verpönt bei Redakteuren. Da wird dann zB in einer emotionalen Szene, wenn ich dann emotionale Musik auch mache, wird dann halt die Nase gerümpft und dann gesagt „Untervordere doch den Zuschauer nicht, ich möchte da selber drauf kommen. Du zwingst mich jetzt da zu einem Gefühl, ich will nicht gezwungen werden.“ usw. Also da geht’s jetzt nicht darum, ob da ein Monster aus dem Schrank springt, sondern es geht schon wirklich los in kleinsten Details, im Schnitt, in der Musik usw. Es gibt ja auch die Berliner Schule, die dann möglichst lange leere Bilder zeigt und dann soll man sich selber was bei denken. Das ist auch alles ok, aber das ist was ganz anderes. Und es ist einfach eine große Vorliebe da, vom – ich sag mal als Schlagwort – vom Feuilleton diese Dinge zu fördern, zu pushen, zu feiern. Da heißen Filme „Plätze in Städten“ oder so, und werden dann ausführlich besprochen. Was ist das? Warum soll ich mir was anschauen, was „Plätze in Städten“ heißt. Das interessiert mich nicht. Aber das ist das, was gefeiert wird.
#00:31:01-4# Mark Wachholz: Ich komme mal in die Gegenwart. Vielleicht erst mal an die Fraktion, die tatsächlich im Moment gerade Genrefilme macht. Christian, du hast 2005 „Antikörper“ gedreht. 2005 ist er herausgekommen. Weißt du noch die Zuschauerzahlen?
#00:31:21-5# Christian Alvart: Nein, weil die hören ja nach ein paar Wochen auf, zu zählen. Aber es waren knapp 200.000.
#00:31:25-8# Mark Wachholz: Okay. Als Regisseur, als Produzent: Wie viel Zuschauer sollte ein Film heutzutage in Deutschland haben, damit er als erfolgreich gilt. Klar, es ist Budgetabhängig, aber jetzt mal so ungefähr.
#00:31:41-2# Christian Alvart: Also, ich sag mal es gibt den qualifizierten Erfolg, das hat damit zu tun, wie man sich finanziert und was man sich erwartet. Und dann gibt’s natürlich den Film, der auf jeden Fall ein Erfolg ist. Also wenn ein „normal“ Budgetiertet Film eine Million Zuschauer hat, dann ist es ein Knaller.
#00:31:56-2# Mark Wachholz: Also so um den Daumen gepeilt eine Million wäre schon gut.
#00:31:59-7# Christian Alvart: Das wäre in jedem Fall gut. Es gibt aber Filme, die gemacht werden, wo man von Anfang an weiß, diese Million erreicht man nicht. Und da plant man auch anders und finanziert anders. Bei „Antikörper“ damals haben die beteiligten Firmen, die den produziert haben, also auch Kinowelt als Verleih, die fanden den Film so super, dass sie sich wesentlich mehr erhofft haben und auch die Strategie auf eigentlich eine halbe Million ausgelegt haben. Das heißt es war in Deutschland eigentlich ein Flop, für was sie erwartet haben.
#00:32:27-8# Mark Wachholz: Ich hab hier mal ein paar Zahlen von Genrefilmen aus den letzten Jahren. Ich weiß gar nicht, ob ihr alle davon kennt. Nehmen wir mal „Hell“ von 2011, das waren dann so um die 130.000, 140.000 Zuschauer. „Wir sind die Nacht“ von Ratpack: 106.000 steht hier. „Pandorum“, eine Co-Produktion, 100.000, vielleicht ein wenig mehr. „Die kommenden Tage“, ein social fiction Drama gewesen, 56.000. „Die vierte Macht“, UFA, Polithriller, auch 100.000. „Die Tür“, Mystery-Thriller, 49.000. „The Chid“, eine Sebastian Fitzek Verfilmung, auch ein Thriller, 20.000. „Zimmer 205 – Traust du dich rein“, also das könnte man vielleicht noch verdoppeln, aber erst mal noch die Wochenzahlen sind 14.000. „Lost Place“ haben wir gehört, hab ich hier 12.000. „Urban Explorer“, 9.000 und das Westerndrama „Gold“ hat immerhin noch 4.000 Zuschauer in die Kinos gelockt. Also wenn wir über einen erfolgreichen, „ok“ erfolgreichen Film von einer Million Zuschauer reden, dann haben wir wahrscheinlich wirklich faktisch ein Problem.
#00:33:49-6# Christian Alvart: Aber eine Million ist nicht „ok“, das ist wirklich ein Hit.
#00:33:52-7# Mark Wachholz: Ja okay, aber selbst 500.000, wenn das schön wäre. Mit 5.000 oder 50.000 ist man noch nicht so weit. Benjamin, RatPack hat gerade „Fack Ju Göthe“, eine Schüler-Lehrer Komödie herausgebracht. Ich weiß gerade nicht die aktuellen Zahlen, ich glaube 6,7 Millionen oder noch mehr? Plus? Warum macht ihr überhaupt Genrefilme, wenn ihr doch mit Komödien so geile Zahlen haben könnt?
#00:34:25-8# Benjamin Munz: *überlegt* Das geht ja jetzt voll in die innere Firmenstrukturen rein. Da darf man nicht vergessen, Christian Becker ist ja ein Liebhaber von solche Sachen. Es ist aber sein Firma und er macht es seit 14 Jahren, ich kann jetzt nicht für ihn sprechen. Ihr wolltet ihn, er konnte nicht, jetzt habt ihr mich wieder. Die Story vom letzten Jahr wiederholt sich. Dass ich Genre mag steht auf einem anderen Blatt. Ich entwickle meine eigenen Projekte und schieb die voran. Die Komödie ist in Deutschland besetzt. Also egal, ob das jetzt Lena Schönmann von uns aus der Firma ist, oder Christian Becker von uns aus der Firma oder SamFilm oder die Ufa. Also dieser Platz – Schweiger, Schweighöfer, Daktekin – warum sollte ich jetzt noch Komödien machen? Also es kommen ja auch viele Komödien ins Kino, die auch solche Zahlen machen und da sind wir jetzt wieder… – bei denen, die letztes Jahr da waren, da hab ich moderiert, da hab ich auch schon mal gesagt: 200, knapp 300 Filme werden jedes Jahr gefördert, davon gibt es Ausreißer nach oben. Meist Komödien – Schweiger, Schweighöfer, Daktekin. Die machen im Schnitt 2 Millionen Zuschauer. Was mit diesen anderen 287 Filmen passiert, ob die jetzt geile Zahlen machen und wie viele Genrefilme da dabei sind… von wann war die Liste, von 2004?
#00:36:03-0# Mark Wachholz: Nein, die Liste ist aktuell.
#00:36:05-5# Benjamin Munz: Ja, aber die fing von 2004 an, also wir reden immer über 6 oder 7 so Beispielgenrefilme, die bei 100.000 stehen geblieben sind und reden in der Zeit aber von knapp 1200 Filmen, die genau gleich und noch schlechtere Zahlen gemacht haben, die aber alle gefördert wurden. Und dass die stattfinden ist ja dann OK oder was, weil die alle auf der Berlinale laufen? Ich weiß es nicht.
#00:36:25-9# Mark Wachholz: Es ist absolut richtig. Also auch die geförderten Filme kriegen kaum Zuschauer, weil das Kino auch zugestopft ist mit deutschen Filmen. Ich glaube es kommen so 200 Filme – vielleicht hat jemand genauere Zahlen – pro Jahr raus. Jede Woche 4 deutsche Filme, oder so. Niemand schaut die, das ist klar.
#00:36:48-4# Benjamin Munz: So klar ist das eben nicht. Ich glaube nicht, dass das so klar ist.
#00:36:52-8# Mark Wachholz: Naja, ich hab nicht die Zeit, die alle zu schauen.
#00:36:54-7# Benjamin Munz: Ja klar, wir haben ja dann noch amerikanisches Kino. Aber ich weiß nicht, ob das den Leuten so klar ist. Und es werden jedes Jahr mehr Filme gefördert und mehr deutsche Filme gemacht. Und wenn dann Schweiger, Schweighöfer und Daktekin in einem Jahr 3 Filme haben, dann geht es dem deutschen Film super, weil „schaut mal, allein 40 Prozent aller Kinogänger haben deutsche Filme geschaut“. Also nein, nur weil jetzt 3 erfolgreiche Filmemacher Publikumskino machen heißt das noch lange nicht, dass es dem deutschen Film jetzt gut geht.
#00:37:20-4# Mark Wachholz: Also wir haben immer das Problem in der Diskussion, dass wenn wir über den deutschen Genrefilm reden, automatisch immer über die gesamte Krise des deutschen Film reden müssten, das auseinander zu dividieren, um eben auch genauer auf den Punkt zu kommen. Das ist schwer. Deshalb seht es uns nach, wenn wir dann da in die Krise des gesamtdeutschen Filmes nicht einsteigen. Wir werden es aber auch, was zB. Förderungen betrifft – da gibt es ja auch Debatten, wie viele Filme man überhaupt fördern sollte pro Jahr…
#00:37:54-8# Klaus Keil: Darf ich mal fragen: Was heißt den „Krise des deutschen Films“?
#00:37:57-8# Mark Wachholz: Naja, der bekannte HFF Dozent Martin Hagemann, der hier auch auf dem Podium sein sollte, aber sich entschuldigt hat, weil er doch einen Termin wahrnehmen musste, hat das in seinem Artikel neulich erste betitelt. Generell ist glaub ich die Stimmung sowohl innerhalb der Branche als auch im Feuilleton nicht sehr euphorisch, was vielleicht auch damit zusammen hängt – das wissen sie vielleicht besser – dass der deutsche Film eben grundsätzlich nicht aufs Publikum ausgerichtet ist, sondern seine Erfolge eher auf Festivals sucht.
#00:38:30-2# Klaus Keil: Also das sehe ich ziemlich anders. Von der Kritik bzw. vom Feuilleton will ich nicht reden. Da sind Redeure und Redakteurinnen mit sehr speziellen Meinung dahin gestellt. Wir sind ein ziemlich liberales Land, Gott sei dank. Bei jetzt glaube ich 23 einhalb, oder fast 24 Prozent Marktanteil der deutschen Filme – wenn ich denke vor 15 Jahren, wissen sie wie viel das war? Wissen sie das?
#00:38:57-3# Mark Wachholz: Weiß ich nicht.
#00:38:59-2# Klaus Keil: Was schätzen sie?
#00:39:00-1# Mark Wachholz: Wahrscheinlich um die 15, 18…
#00:39:02-8# Klaus Keil: 11 Prozent, 10 Prozent, 9 Prozent. Also wir haben uns enorm gesteigert und da gehen Leute rein. Also das ist nicht Publikumsfern, also auch das stimmt nicht.
#00:39:13-0# Mark Wachholz: Und sind diese Filme, sind da in den 23 Prozent auch internationale Ko-Produktionen mit reingerechnet, wie „Cloud Atlas“, „Resident Evil“, usw. Also die zwar deutsches Geld mit drin haben, aber letztendlich nicht von deutschen Filmemachern gemacht wurden?
#00:39:28-9# Klaus Keil: Ja, die sind auch mit reingerechnet, natürlich.
#00:39:31-6# Christian Alvart: Die sind ja auch hier gedreht, also ich finde das ist es sehr akademisch jetzt zu streiten, was ein deutscher Film ist. Wenn der hier gedreht ist und da haben deutsche dran gearbeitet und die haben den hergestellt, warum soll der dann nicht als deutscher Film gelten? Also nur wenn ich jetzt – ich hab auch mehrere Filme auf Englisch gedreht, sind das jetzt plötzlich keine deutschen Filme mehr?
#00:39:51-5# Mark Wachholz: Ich frag das einfach nur, als es ist jetzt erst mal keine Kritik.
#00:39:54-7# Christian Alvart: Also den Marktanteil seh ich auch, dass der besser wird. Ich wollt nur noch ein Mal sagen, weil hier immer über die Krise des deutschen Filmes gesprochen wird, auch des Genrefilms. Ich hab ja auch ein paar Jahre in Amerika, im „gelobten Land“ verbracht, und die sind auch nicht euphorisch. Also denen geht es auch nicht gut, die Produzenten haben ein großes Problem, das eigentlich die sogenannten „Mittelfilme“ wegbrechen. Das heißt es werden sehr sehr viele Filme gemacht, die 200, 250, 180 Millionen Dollar kosten, die das ganze Geld abziehen und dann bleiben Filme übrig, die für 2 oder 3 Millionen gemacht werden, so am unteren Spektrum. Und alles dazwischen, was mal das war, was mich ins Kino gelockt hat, so Filme die vom Geld her mal 50, 60 Millionen kosten, ich nenne es auch manchmal gar nicht Genrefilme, sondern Erwachsenenfilme, so wie Russel Crow macht immer mal einen, wie „The next 3 Days“, wo es darum geht seine Frau aus dem Gefängnis rauszubrechen, oder mal um jemand geht, der ein Undercovercop ist. Also diese „ganz normalen Filme“, die es früher haufenweise gab, ohne Superhelden, die Berge in die Luft heben, sondern einfach nur ganz normales Überwältigungskino, das findet kaum noch statt. Drama findet kaum noch statt. Es wird alles immer billiger.
Und inzwischen hab ich höhere Budgets für die Filme, die ich mag, in Deutschland, wenn ich einen Film machen möchte, als in Amerika. Ich hab zb jetzt ein Remake angeboten bekommen, neulich, von „Day of the Living Dead“, nach „Dawn of the Dead“, sozusagen „Day of the Dead“, haben sie mir angeboten. Sie haben gesagt, sie möchten Zombies on Acid, so als Pitch. Da hab ich gesagt, ist doch wunderbar. Wie viel ist den das Budget? Und das waren 3 Millionen US Dollar. Und das ist weit unter dem, was ich zB für einen Film, wie die „Banklady“ jetzt hatte. Und warum soll ich das machen. Warum soll ich nach Amerika gehen und mich da mit 3 Millionen US Dollar rumschlagen, weil da der Markt komplett zusammengebrochen ist für solche Filme. Und da bin ich sehr sehr froh und bin auch mit meiner Firma, die ja eine Genrefirma ist, sehr sehr gerne hier, weil ich ja auch immer mal – es ist nicht in der Breite, aber immer mal – auf begeisterte Leute treffe, die sich freuen, dass hier mal jemand Versucht so was umzusetzen. Also sowohl Verleiher, als auch Sender usw. gibt’s auch tatsächlich, die – wenn ich da mal ankomme und versuche die zu begeistern, sowas mal zu machen – die sich da auch begeistern lassen.
#00:42:12-3# Mark Wachholz: Das war ja eigentlich meine Ursprungsfrage, ich würde euch drei, weil ihr eigentlich aktiv Filme macht und das vorantreibt, fragen, weil hier sind vielleicht auf viele Filmemacher, die auch gerne Genrefilme machen wollen und da draußen sowieso: Was ist ganz aktuell das Produktionsumfeld, wie geht ihr ran, was ist eure Stoffauswahl und was sind eure Erfahrungen im Moment, Genrefilme wirklich zu pushen? Ihr kommt letztendlich aus drei verschiedenen Richtungen, Krystof aus jemand der als Regisseur das vorantreibt, Christian als Regisseur-Produzent mit einem gewissen Rucksack schon an Filmen und Benjamin mit einer Firma, die schon sehr viel in die Richtung macht. Ich weiß nicht, wer dazu was weiß, oder vielleicht könnt ihr drei was dazu sagen: Worauf muss man achten, oder was steht einem heutzutage im Weg? Mal außerhalb von Förderung oder dem anderen deutschem Filmkram.
#00:43:14-1# Krystof Zlatnik: Naja, also ich finde meine Perspektive noch etwas schwierig um dazu richtig was zu sagen, weil ich hab sozusagen noch keinen Spielfilm, keinen Langfilm gemacht. Meine Perspektive ist noch recht nah an der Filmhochschule, obwohl das auch schon knapp 4, 5 Jahre her ist. Da kann ich nur sagen, dass ich sozusagen in einer Zeit da war, wenn wir so drüber nachdenken, was jetzt an der Filmakademie passiert, so eine Übergangszeit war, wo wir uns noch nicht so viel den Kopf gemacht, was danach „geht“.
Da hab ich sehr viel geträumt und entsprechend, Sciencefiction, Fantasy, Mystery, all diese Sachen gemacht, wo aber niemand im deutschen Fernsehgeschäft jetzt direkt draufzeigt und sagt: „Ok, der sollte trotzdem mal unser Debüt im Dritten machen“, das sagen sie dann einfach nicht. Von daher gibt es dort keinen Weg jetzt für mich und es gab außer dass man Leute findet, Produzenten findet, manche auch hier Anwesen, die sagen: „Ja, aber wir wollen auch genau das“. Es gibt ja die Leute hier im Land, die sich dafür begeistern und im Augenblick ist es so, man findet sich und man versucht zu stechen, „wo gehts nach vorne“, Schritt für Schritt.
#00:44:40-3# Mark Wachholz: Wer bezahlt dich, während du so an deinen Projekten arbeitest?
#00:44:45-0# Krystof Zlatnik: Das ist jetzt… *verlegenes Lachen* Ich hab mich das auch gefragt, während ich diese Veranstaltung hier gemacht hab. Manchmal bezahlt mich das Amt. Ich kann davon jetzt noch nicht leben, was hart genug ist. Also ich kann auch schneiden und mache manchmal Schnittjobs, manchmal werde ich für das Schreiben bezahlt, aber es ist viel Prinzip Hoffnung.
#00:45:10-9# Mark Wachholz: Viel Vorleistung?
#00:45:12-0# Krystof Zlatnik: Ja, natürlich. Aber das hat jetzt nichts glaub ich mit mir als Genrefilmemacher direkt zu tun. Das geht ja den meisten jungen Regisseuren so, weil man viel in Vorleistung gehen muss. Und, weil ich glaube es gibt halt – es tut mir leid, dass ich das sage – aber es gibt genug von uns. Es gibt fast zu viele von uns. Zu viel gute Leute werden ausgebildet. Deswegen zeige ich ja auch die Filme gerne, weil ich finde das ja auch gut, was da gemacht wird. Aber was sollen wir alle für Filme machen? Die werden dann alle gefördert und kommen und keiner schaut das. Aber ich habe auch keine Lösung. Die können die Schule zu machen, eine Weile, denke ich. *lachen*
#00:45:46-2# Mark Wachholz: Ja, wir wollen ja auch ein wenig „Outcome“ mitnehmen nach Hause. Ein paar Ideen, was man verändern kann. Benjamin, ihr habt mit „Stunt“ jetzt eine Horrorkomödie mit Rieseninsekten gemacht. Das Projekt hat glaub ich auch einen Wettbewerb gewonnen, den ihr ausgeschrieben habt. Dafür habt ihr euch dann entschieden. Wonach wählt ihr letztendlich solche Stoffe aus? Was wenn junge Autoren oder Regisseure, die Schreiben und an Stoffen arbeiten… – was geht im Moment? National oder International. Was sind die Bedingungen?
#00:46:23-2# Benjamin Munz: National schickt ihr mir bitte nur Komödien. Möglichst lustig, möglichst jung, möglichst frisch, möglichst unter der Gürtellinie.
#00:46:32-0# Mark Wachholz: Also kein Genre.
#00:46:33-6# Benjamin Munz: …direkt zu mir, alles was ihr habt. Komödien, Komödien, Komödien ist alles, was man gerade hört. Also ganz ehrlich, dieses ganze Genrethema in Deutschland. Ja, Christian Alvart macht es. Die Förderungen hören ihn auch an. Er geht auch zu Sendern und die hören ihn an. Er ist aber einer von den ganz wenigen, wo sich dann auch mal Vertriebe doch mal interessieren. Wenn ich jetzt mit sagen wir mal, meinem kleinerem Erfahrungsschatz zu einer Förderung gehe, dann sagen die Nee. Wenn ich zu einem Vertrieb gehe, das passierte so auch mit „Stung“, first time director Benni Diez – kennen ja viele – die verstehen das dann nicht. Und auch wenn ich dann bei Vertrieben sitze – und ja, die lassen sich begeistern in deutschen DVD-Vertrieb und so – na dann schaut man dann so und sieht hinten ihre Bibliotheken und die haben nur Genrefilme. Alles aus aller Welt, Hong Kong, Asia, USA, alles! Läuft in Deutschland, die verkaufen das auch. Ist ja nicht so, ich kauf das ja auch. Ich hab das ganze Regal voll mit so Filmen. Die haben das auch und dann sitze ich da und denke: „Geil, jetzt bist du angekommen. Hier, da sitzt jetzt einer vor dir, der kauft international nur so Filme, der kennt sich aus. Der bringt den Film jetzt mit mir raus, der gibt mir jetzt Kohle und dann kommt der Film…“ und dann sagt er: „Ja, wenn du Christian Alvart dabei hättest, dann würden wir das vielleicht machen. Aber sonst machen wir das auf gar keinen Fall, stattdessen produzieren wir gerade eine schöne kleine deutsche Komödie für Sat.1.“ Und das ist Realität. Müsst jetzt nicht klatschen, es ist zum heulen eigentlich. Du weißt, was ich meine [zu Christian Alvart], ich greif dich gerade absichtlich auch ein wenig an. Es gibt noch so ein paar andere Namen, die funktionieren, aber ansonsten ist Deutschland genretechnisch ziemlich Alptraumland.
#00:48:21-2# Christian Alvart: Also ich weiß das ein bisschen, dass das so ist. Ich finde das auch nicht so gut und hab deswegen… – du [Mark Wachholz] hast das vorhin in deinem Eingangsstatement über mich gesagt, dass ich dieses Label gegründet hab – meine Firma Surreal-Entertainment hat einen first time director Genrelabel gegründet, Real Suspense heißt das, wo ich so was versuche, was in anderen Ländern sehr erfolgreich läuft, wie in Spanien mit Guillermo DelTorro, oder Mexico, dass ich so eine Art Mentor werde. Dh wir schauen uns in der Firma Stoffe an – natürlich können wir nicht jeden nehmen, ist ja klar. Wir schauen schon wo wir auch glauben, dass es einen Markt und eine Finanzierung gibt. Dass da vor allem auch ein „International Value“ da ist, weil ich das aus Deutschland heraus nicht finanziert krieg, sondern nur international.
Und dann mich einfach zu den deutschen Finanzpartnern hinsetze und sage: „Ja, das ist ein Film eines jungen Regisseurs, von dem ihr noch nie gehört habt, aber ich bin dabei. Ich begleite das von Anfang in der Entwicklung über Casting über Szenenbildner finden, whatever… und garantiere somit ein bisschen mit meiner Erfahrung, dass das zumindest – und das geht jetzt sehr in den Finanzierungstalk, und so – aber dass das vom Productionvalue sozusagen ein marketable Product ist. Das kann man also wirklich verkaufen, selbst wenn der Film dann bei den Kritikern durchfällt oder so, kriegt man das Geld wieder rein. Das geht ja den Leuten erst mal darum. Nach außen hin geht es natürlich auch darum, dass der Film geil ist und gut und spaß macht und wir uns alle freuen. Aber natürlich muss ich erst mal – die Leute haben ja immer angst vor ihrem Lowend, also was ist der Worst Case. Was ist wenn der Film schlecht wird, wie schlecht wird er dann. Da nehme ich so ein bisschen diese Projekte an meine Hand. Ich sorg dafür, dass selbst wenn er misslingt er nicht so schlecht ist, dass ihr nicht alle noch Geld verdient. Das ist so ein Versuch, das ist ganz normaler Lokalpatriotismus für Genre, was ich hier mache. Das sind Budgets, da verdienen wir als Firma jetzt nicht so sensationell dran. Aber ich glaube – und jetzt reden wir wieder über deine tolle Liste – solange man jedes Jahr ein einhalb Ausreißer macht. Also anderthalb Versuche Genre zu machen wird es sich nicht ändern, diese Liste, weil Filme müssen auch scheitern dürfen. Ein Genre muss auch scheitern dürfen. Weil wenn du nur einen Versuch hast, dann hängt alles auf diesem einen Versuch. Und wenn der dann misslingt, dann hör ich wieder die nächsten drei Jahre: „Ja Hell hat auch nicht funktioniert“. Das ist einfach das schlimme: Wenn wir nicht in die Breite gehen, dh wenn wir es nicht schaffen, dass wir endlich mal 10, 12 Genrefilme im Jahr machen. Und dann – das weiß jeder erfolgreiche Produzent, dass er 5 Filme machen muss, damit einer Erfolg hat und Geld verdient – das gilt natürlich auch für Genrefilme. Wir müssen 5 machen, damit einer gut wird. Also finanziell funktioniert. Und das ist halt das, was ich ein bisschen versuche voranzutreiben.
#00:51:05-6# Mark Wachholz: Und inhaltlich, wonach wählt ihr so aus?
#00:51:10-7# Klaus Keil: Darf ich da gleich mal anknüpfen? Ja, löblich, gut. 10, 12 oder was, Genrefilme. Richtig der Knaller und hart.
#00:51:21-0# Christian Alvart: Ich nicht alleine, ich hoffe wir alle zusammen.
#00:51:24-2# Klaus Keil: Nein nein, alle. Viele. Das ist sehr gut. Wo werden wir dann gezeigt? Weil dann geht ihr zu den Verleihern und die sagen: „Toll, aber das geht traditionell in Deutschland nicht.“ Und wo zeigt ihr die dann?
#00:51:33-2# Benjamin Munz: Ist doch Wurscht, die Arthouse Filme laufen doch auch nirgends.
#00:51:35-7# Mark Wachholz: Ist eine interessante Frage. Die Abnehmer.
#00:51:40-7# Klaus Keil: Ich hab mich vorher mit Martin Hagemann, der früher wegmusste, unterhalten und der hatte eine These, die finde ich sehr spannend. Der sagt nämlich, komm ihr GENERALE, ihr könnt doch ein Kino irgendwo aufmachen. Und ihr macht auch noch in Hamburg eins auf und in München und in Frankfurt, usw. Tübingen vielleicht, wo nur Genrefilme gezeigt werden. Und dadurch entsteht etwas vielleicht. Da entsteht ein Publikum. Und da sind die jeweils hundert, tausend, zweitausend Genreleute, Liebhaber. Die wissen, da ist mein Kino, da kann ich rein. Jede Woche seh ich die und die oder jene Filme. Prima. Da kann was wachsen. Und da kann man dann diese 10 oder was, oder 8 Filme im Jahr, die aus Deutschland kommen, zeigen, bewerben, propagieren, Debatten machen. Und da könnte was wachsen.
#00:52:29-6# Christian Alvart: Es wird ja immer auf die Flops verwiesen. Du hast auch zwei Filme in deiner Liste ausgelassen. Das sind die Filme „Anatomie“ und „Das Experiment“. Diese Filme sind meiner Meinung nach die besten auf dieser Liste. Und die Erfolgreichsten. Und sind absolute Hits. Und wenn ich mit Investoren rede, dann rede ich nicht über „Das Kind“ von Fitzek, den er so ein bisschen im Selbstversuch gedreht hat, sondern ich rede natürlich über „Anatomie“ und „Das Experiment“.
#00:52:55-7# Mark Wachholz: Also „Anatomie“ 2 Millionen und „Das Experiment“ 6 Millionen Zuschauer.
#00:52:59-7# Christian Alvart: Sensationell. Und das sind aber halt Beispiele – ich sag mal, wenn man 10 Beispiele hat, müssen 2 Hits dabei sein.
#00:53:06-0# Norbert Maaß: Ja und das ist einfach auch das Problem: Es gibt schon lange keinen Film mehr, der nach oben ausgebrochen ist im Genrebereich. Und das ist natürlich so ein… ja… das garantiert eher…
#00:53:16-5# Christian Alvart: Aber gab es so einen Genrefilm. Also ich behaupte es gab auch keinen Film wie „Das Experiment“ oder „Anatomie“ im Kino. Also wenn du sagst, „Die kommenden Tage“ – natürlich kannst du das assoziieren mit Genre. Aber ist das wirklich ein Genrefilm? Das ist auch ein intellektuelles Drama.
Und „Gold“ ist ja ein Berliner Schule Film. Also auch wenn die da ein Westernhut aufhaben, das macht noch keinen Genrefilm aus.
#00:53:37-1# Mark Wachholz: Da steht halt erst mal Western da… ich stimme dir da total zu. Wir könnten natürlich auch ein bisschen über die Bezeichnung…
#00:53:44-9# Christian Alvart: Es liegt auch an uns so gute Filme zu machen. Also um auch mal Selbstkritik zu machen. „Das Experiment“ und „Anatomie“ sind zwei Spitzenfilme, die sofort ihr Publikum gefunden haben. Die wussten, wie es geht, wo jeder Schnitt sitzt, jeder Music-Shock sitzt, wo alles funktioniert, und da sind halt auf dieser Liste von Flops nicht so viele dabei, die das auch für sich behaupten können, dass die auch so gut waren.
#00:54:05-5# Mark Wachholz: Das ist ein guter Übergang. Genau darüber will ich auch noch reden. Können wir gleich auch machen. Uns die Qualität anschauen von deutschen Genrefilmen. Und nicht einfach davon ausgehen, das sind ja Genrefilme, warum schaut die keiner.
#00:54:19-9# Krystof Zlatnik: Also ich bin auch großer Fan von der Theorie, dass, würden wir so viele Genrefilme machen, wie wir Arthousefilme machen, dann wären auch ein paar ganz exzellente jedes Jahr dabei. Also ich glaube das war auch so der Gedanke mit dem Festival hier, dass das um so eine Art „Genrekultur“ geht, die wir aufbauen müssen, also wo wir alle auch mehr drüber lernen müssen. Was bringt es, wenn es eben Leute in den höheren Positionen gibt, sag ich mal, die das selbst nicht bewerten können, obs jetzt taugt oder nicht, die selbst sich auch nicht trauen zu sagen: „Ja ja, ich weiß das, weil ich mag das auch.“ Man muss es ja auch verstehen und kennen und auch die Qualität einschätzen können und es ist wie als ob wir ein bisschen insgesamt zurückgestuft sind, so kommt es mir manchmal vor, was das Bewusstsein und auch die Bewertung von Genre angeht – also ich kanns nur sagen aus meiner…
#00:55:15-6# Mark Wachholz: Die Kompetenz letztendlich.
#00:55:17-2# Krystof Zlatnik: Ja. Weiß ich nicht. Also an meiner Schule ginge mir auch so. Da wurde viel gelehrt über Schauspielführung. So was ist immer wichtig, Schauspielführung, Schauspieler. Bisschen gabs auch mal ein Schnittseminar. Aber wie man eine Szene spannend macht, wie man Suspense macht, wie jemand mein Sciencefiction Buch bewertet, oder was die Verknüpfung drin zum Anime bedeutet. Also da gibts ja keinen der Ansprechpartner ist.
Es gibt keine Referenz, keine Mentoren – vielleicht irgendwann… aber du [Christian Alvart] solltest somit vielleicht unterrichten. Aber so bisher gibt’s für uns, die wir das mögen und vorantreiben wollen und darin auch besser werden wollen auch keine Leute. Ich kann jetzt halt leider nicht ein Praktikum bei Spielberg machen.
#00:56:03-4# Norbert Maaß: Naja, vielleicht kein Praktikum bei Spielberg. Aber es läuft ja gerade nicht nur der abgeschnittene Berlinale-Kopf. Das ist ja bisschen Markenzeichen für das Festival vielleicht. Da mag es tatsächlich so sein, dass so was wie „Midnight Madness“, was ja auch zu Kinovertrieb dann geführt hat, in Toronto und auch in anderen Ländern. Das gab es hier auch mal. Ich hab auch meine ersten Filme – da musste ich sehr lange aufbleiben – um dann Mitternacht in die Meißen-Geige zu gehen, um dann den Film zu sehen. Das läuft aber schon lange nicht mehr… warum eigentlich?
#00:56:38-0# Benjamin Munz: Gabs bei der Berlinale übrigens auch. Die Berlinale hatte bis vor ein paar Jahren noch eine „Midnight Madness“ tatsächlich. In dem Sinne so. Machen sie aber gar nicht mehr.
#00:56:43-8# Norbert Maaß: Aber, was findet trotzdem gleichzeitig statt? Ich komm jetzt gerade aus dem Maritim, war vorher im Mariott. Da ist eine Firma Tür an Tür, ob die American Video heißen, usw. Die handeln schwerpunktmässig, wer sich die Flyer anschaut. Da ist die Hälfte Trash, Horror, Monster-Filme. Das ist billig. Das ist teilweise – Qualität ist gar nicht die Frage. Aber es ist für ein gewisses Bedürfnis zugeschnitten. Und die Filme machen wirklich Geld. Also ich hab selber sehr viele Genrefilme verkauft, ich hab „Das Experiment“ verkauft, ich hab „7 Days to live“ verkauft. Ich hab aber auch andere Filme verkauft, mit zb Senator International, die teilweise – ja, die haben uns alle belächelt und haben uns alle so schräg angeschaut, von Bavaria Film International und anderen Vertrieben – aber wir haben damit richtig Kohle gemacht. Aber es gibt Firmen, die treffe ich heute hier diese Woche noch wieder, die machen das weiter. Das ist ein lebendiges Geschäft. Nur wenn man sich die Regisseurnamen anschaut, das sind Israelis, Spanier, Argentinier, kaum Deutsche. Und das wäre auch eine Chance ein bisschen das Brot und Butter Geschäft zu beleben. Also einfach anzufangen auch ein bisschen mitzuarbeiten. Sicherlich, der Markt leidet und sicherlich, „Antikörper“ und „7 Days To Live“, die haben noch eine viertel Million gehabt. Jetzt haben die selben Filme nur noch 100.000. Das liegt an vielen Faktoren.
#00:58:08-4# Christian Alvart: Aber wenn du aus der Welt kommst, dann weißt du ja auch: Zu meinem Namen hat jeder Weltvertrieb inzwischen seine Estimates und weiß in welchem Land welche Filme von mir wie liefen.
Und darauf baue ich jetzt ja auch komplett auf. Dieses Genre-Förderprogramm funktioniert nicht, weil ich in Deutschland der bin, der ich bin. Sondern weil 4 Filme von mir in Spanien auf Platz 2 waren, in Russland war einer auf Platz 1, einer auf Platz 2, usw. Es gibt sehr viele Verkäufe. Selbst „Antikörper“ hat sehr viel Geld verdient, weil er auf der ganzen Welt verkauft wurde. Der lief ja sogar in Amerika im Kino. Also das war kein Videoverkauf. Der lief weltweit im Kino. Und deswegen, wenn du sagst – ja klar hatte ich nur 200.000 Zuschauer mit dem Film. Aber der Film hat 1,7 Millionen Euro gekostet und war in die ganze Welt verkauft. Also da haben alle Beteiligten gut Geld verdient. Man muss einfach seinen Markt kennen und für diesen Markt zuschneiden. Dann ist es auch ein Erfolg. Und dieser Film, der reicht mir der Erfolg, den ich mit dem Film hatte. Also ich war jetzt überhaupt nicht traurig, das war für mich ganz toll.
#00:59:03-3# Mark Wachholz: Das war auch so meine Perspektive natürlich, weil auch mit „Stung“, international gedreht und auf englisch und „Pandorum“ – Das sind auch Co-Produktion. Also kann man generell sagen, dass im internationalen Markt derzeit die einzige Chance liegt? Für deutsche Genrefilme?
#00:59:23-2# Benjamin Munz: Also ich kann nur sagen ich habe für „Stung“ – gut, ist auch ein härteres Projekt, du hast first time Director – wir haben keinen deutschen Vertrieb gefunden, der nur ansatzweise die Zahlen – und jetzt kommt der Clou an der ganzen Geschichte – für Deutschland aufrufen kann, die Ausländer für Deutschland aufrufen. Dh ich hab mein Home-Territory für „Stung“, um den Film überhaupt finanziert zu bekommen, an Engländer verkauft. Und das ist ein Armutszeugnis für Deutschland, ganz klar. Die konnten aber eben wirklich Kohle auf den Tisch knallen, weil die wissen was Deutschland immer noch für einen Wert für Genrefilme hat. Wie gesagt, die haben alle die Regale voll damit. Wir haben keine einzige Förderung bekommen für den Film. Wir waren natürlich bei allen. Wie gesagt, Christian Becker zieht dann wohl doch nicht so wie Christian Alvart. Warum ist auch klar, wiederum. Wir hatten keinen Sender mit drin. Da waren wir auch bei den zwei Ansprechpartnern, die es für Genresache überhaupt noch gibt. Die machen Beide aber… Pro7 ist weg. Dazu ist zu sagen, wir haben früher für Pro7 sieben Genrefilme, oder „genrige“ Film im Jahr gemacht – Die RatPack, nicht ich, Christian. Pro7 macht gar nichts mehr, daher bleibt RTL übrig als Sendergruppe quasi. Vielleicht motiviert man ZDF noch mal zum Thriller, weiß man nicht. Aber das war der Status Quo. Also wir hatten aus Deutschland gar keinen Support. Und der Rest kam dann aus der Welt oder von windigen Finanziers, wie mans dann so kennt.
#01:00:49-1# Klaus Keil: Christian hat ja gerade über Qualität gesprochen. Warum gehen diese wenigen deutschen Filme im Ausland? Weil sie einfach gut gemacht sind und weil die Geschichten funktionieren. Zu meiner Zeit, als Fördermensch, hab ich zum Beispiel „Tatoo“ gefördert, von Robert Schwentke. Der hat dann später ein Hollywood-Angebot bekommen, „Flightplan“. So kann das auch gehen. Oder „Lautlos“. Der hat auch ein Angebot bekommen, hat das aber glaube ich nicht… – Also es geht schon über die Qualität der Filme, ob sie packen, ob sie stimmen. Ob sie, was ja „Genre“ ist, das was sie ankündigen auch erfüllen. Und das ist bei Genre so was tolles. Wenn ich weiß das ist ein Mystery oder ein Mystery-Thriller oder was, das krieg ich dann zum anschauen. Und ich krieg nichts anderes. Und ich krieg keinen Genremix.
#01:01:39-0# Benjamin Munz: Ich muss aber ganz kurz… dieses ständige, ein paar Regisseure – einer sitzt jetzt noch neben mir – so hochzustilisieren. Die haben alle einen Film gemacht in Deutschland und gingen dann nach Amerika. Das ist nichts geiles. Das ist eigentlich schlecht für uns, dass sie gegangen sind. Sie hatten nicht die Chance, weiter zu machen in Deutschland – meiner Meinung nach. Ich kenn die Geschichte von dir [Christian Alvart], die haben wir uns immer auf dem Schulhof erzählt. Ich weiß nicht, ob sie stimmt oder nicht. Vielleicht war es auch gar nicht dein Film, ich meine ja: Nachdem „Antikörper“ gemacht wurde hast du mal in einem Interview gesagt, es hat dich niemand in Deutschland angerufen, gar niemand. Dein Telefon stand aber nicht mehr still mit Anrufen aus Amerika. Stimmt das?
#01:02:17-3# Christian Alvart: Ja, das stimmt. Also ich hab das damals auch sehr stark als Rauswurf aus dem Land empfunden. Ich will mich da nicht beschweren, weil es ist ja für mich alles ganz gut gelaufen. Aber du hast natürlich recht, dass es schade ist. Also ich hatte ja mit „Antikörper“ einen Produzenten und auch ein Nachfolgeprojekt. Ich kann das jetzt ja mal neu erzählen, ist lange genug her. Ich wollte danach „Nordwand“ machen, was ein Bergsteiger-Thriller ist, was auch eine Art Genre ist, was ich sehr Pur und als richtigen Thrill-Ride machen wollte. Und da war der Hauptinvestor der Bayrische Rundfunk. Und die haben sich „Antikörper“ angeschaut, vor allen anderen – wir haben da ein Privatscreening gemacht. Und ich kam schon zurück aus Amerika für dieses Screening und bin hier hergeflogen, nachdem mich da schon ICM gesigned hat. Ich hab schon allemöglichen Angebote bekommen. Dann saß da ein Redakteur und hat den Film geschaut und hat gesagt: Ja der Schritt von 1,7 Millionen jetzt zu 3 oder 4 Millionen – was das dann kosten sollte – wäre viel zu groß und ich sollte erst mal einen Polizeiruf für den Bayrischen Rundfunk machen. Und ich hab aber gleichzeitig mit Herrn Rothman von der Fox geredet ob ich einen Franchise für 60-70 Millionen Dollar für die inszeniere.
Also es war dann auch sehr so dieses: „Schritt für Schritt groß werden.“ Meine Theorie zu dieser Story, die tatsächlich stimmt – weil die Telefonanrufe kamen dann, die kamen zwei Jahre später, als der Film im ZDF lief. Meine Theorie ist, dass in Deutschland die Leute nicht ins Kino gehen, die Kino machen sollen. Also es war wirklich so, dass in Amerika, wenn du dort am Montag ins Büro gehst und kannst nicht zu den Filmen des Wochenendes reden, weil du dir die alle angeschaut hast, dann wirst du schräg angeschaut und musst fast schon sagen „Mein Kind war krank, ich war nicht im Kino.“ Und hier ist es so, wenn der Film noch nicht im Fernsehen lief, dann hat den noch keiner gesehen. Ich bin froh über die Filmakademie, was das angeht, weil jetzt gehen ja immer an alle Akademiemitglieder zum wählen die ganzen Filme raus. Und jetzt schauen wirklich die Kinomacher was die anderen so machen, was wahnsinnig erhellend ist und wahnsinnig viel den Leuten zeigt, wie viel eigentlich am Publikum vorbeigedreht wird. Also das ist tatsächlich keine Legende sondern das stimmt so. Ich hab 2 Jahre nichts gehört aus Deutschland.
#01:04:30-2# Mark Wachholz: Ich würde noch ein bisschen tiefer in die Wunde der Qualität des deutschen Genrefilms stechen. Norbert, du hast als Dramaturg den ein oder anderen Genrefilm, auch jetzt gerade, betreut. Erste Frage, gibt es irgendwie eine Zunahme oder Abnahme von Stoffen, die an dich herangetragen werden, also Genrestoffen? Wie viel ist das, also wie viel – ich weiß nicht, wie das funktioniert – Anfragen bekommst du per Email?
#01:05:05-2# Norbert Maaß: Das ist wirklich sehr schwierig. Also es gibt bei anderen Genres, also Drama und Komödie usw. gibt es sozusagen leichtere Zugänge. Es war so ein bisschen verquer und da hat auch die Förderung zb immer mal wieder eine Rolle gespielt, so „geht doch, lasst euch doch bitte noch mal beraten“. So kam ich zu „Lost Place“ dann und der hat eben den Förderweg doch schon – so zwar auf der Kippe, da kam es eben auch darauf an, was machen wir so jetzt in der Arbeit. Und danach eine Woche fiel dann eben der Bescheid. In diesem Fall dafür. Leider jetzt mit ein bisschen verbrannter Erde, sowohl im Medienbord als auch einer Firma wie NFP, die jetzt auch erst mal davon Abstand nehmen wird. Aber solche Kämpfe durchzukämpfen finde ich immer wieder sinnvoll. Worum geht es in diesen Kämpfen? Es geht um Genre und Genre-Erwartung auch. Und Genre-Erwartung heißt auch: Eigentlich ist dieses „No Drama“ doch nicht ganz richtig. Es geht natürlich immer um die sinnliche Ebene. Es geht immer um die ganzen Affekte, um die furchterregenden, um die spannungsgeladenen Szenen und Überraschungen. Es geht aber schon auch darum eben wirklich einen dramatischen und spannungsgeladenen Unterbau zu schaffen.
Und das sind einfach – auch diese Szenen, die wir kurz als Einspieler gesehen haben – das sind immer sehr kritische Entscheidungsmomente, das sind dramatische Situationen. Es ist Drama letzten Endes. Und Drama wird als Drama empfunden, wenn es sozusagen auch von Gegenwelten aufgeladene Spannung gibt, wenn es auf einer Beziehungseben überhaupt etwas gibt. Und das ist zb – ich weiß jetzt nicht, wer „Lost Place“ hier gesehen hat – das ist eben auch so, ganz im Gegensatz zu Amerika, das ist völlig richtig – in Amerika kennen viel mehr die Filme. Die reden wirklich über das gleiche. Hier ist es sehr viel schwieriger. Den Film haben eben auch viele genreaffine Menschen nicht mal gesehen. Und da war mein Kampf einen Kampf den ich bei vielen Genreberatungen kämpfe. Dass es eben einen gesunden Ausgleich in der Wirkung letzten Endes geben muss zwischen einer sinnlichen Ebene, einer quasi emotionalen Ebene und einer rationalen Ebene der rationalen Spannung auch. Damit es wirklich auch im Plot um etwas geht. Damit es auch wirklich hier nicht einfach nur sozusagen ein bisschen Plot gibt. Es muss schon alles sehr stringent aufgebaut sein. Aber vor allem brauchen wir schon auch eine Anteilnahme an den Figuren. Und daran hapert es zum Beispiel sehr häufig. Und wenn ich mir im Gegensatz dann so einen Film – das hab ich damals gesehen – „Attack the Block“ anschaue, so einen englischen Film. Da stimmt das, das ist schon komisch, die Beziehungsebene wird sofort gewendet, der Gegner wird zum Freund, da ist eine Dynamik drin. Und dann kämpfen sie gemeinsam. Und da ist wirklich auch eine Entwicklung der Figuren drin. Da ist Humor drin. Da ist rationale Spannung drin. Das nehme ich jetzt so als ein Beispiel, ja. Das fand ich eigentlich sozusagen ganz gut.
#01:08:11-5# Benjamin Munz: Ganz kurz. Stimmt voll, „Attack the Block“, super, ganz klar. Ich stell nur die Frage, meiner Meinung nach, ob bei den Zahlen, die wir gerade gehört haben, haben wir jetzt nicht das Problem, ob „Lost Place“ dahingehend vielleicht weniger oder mehr funktioniert hat. Da hat er sicher auch Sachen – ich mach ne Wette, er hätte seine Fans gefunden. Es ging ja gar niemand rein. Also woher sollen die Leute überhaupt wissen, ob der Film gut oder schlecht ist. „Wir sind die Nacht“ zum Beispiel, zum Teil verpönt, zum Teil heiß geliebt von denen, die ihn dann doch gesehen haben. Aber es ging ja gar niemand rein. Also dieser Impuls zu sagen: „Ich gehe in eine deutschen Genrefilm“, er findet nicht statt. Das ist immer noch das Problem. Man redet immer „Ja, der war aber auch nicht gut“. Ja, aber die Leute gehen gar nicht hin. Viele wussten nicht mal, dass der Film läuft. Das ist immer so, da… Wie gesagt, die Filme finden ihre Zielgruppe, aber die Zielgruppe findet die Filme nicht. So ist das.
#01:09:07-6# Krystof Zlatnik: Da sind wir ja im Teufelskreis. Weil Qualität nicht gut genug, Zuschauer enttäuscht, Zuschauer kommt nicht, Film ist auch sowieso nicht so gut. Ich weiß nicht. Ich würde schon dran glauben, dass wenn jetzt „Anatomie“ vorbeikommt – klar, der muss beworben werden. Aber wenn der Film stimmt, also wenn er diese Sachen erfüllt, dann findet er auch sein Publikum. Klar gibt es Filme die nicht so gut gefördert oder beworben werden, aber es ist schon… – natürlich, um da kurz was zu sagen, unser Spruch hier ist „No more Drama“, aber das ist natürlich sehr polemisch darauf bezogen, dass es sehr viele Filme gibt, die nur Drama sind. Für mich ist es ganz klar, dass es eigentlich – es gibt viel Qualitäten bei den Filmemachern, auch hier wahrscheinlich, die Genre mögen und das visuelle und die Energie und die Action sind oft gar nicht so das Problem – sondern ich hab das Gefühl, wir müssen noch besser sein als ein reines Drama sozusagen. Das Drama muss erzählt werden und das muss tight sein, das muss gut gespielt werden und dann muss es noch visuell toll sein, kinetisch, die Musik das Sounddesign. Für mich gibt es da viele Ebenen, wo wir noch… – Also wir müssen das Drama auch im Drama übertrumpfen würde ich sagen.
#01:10:29-2# Christian Alvart: Ich wollte sagen, wenn es darum geht den Film ins Kino zu bringen, ist es etwas, wo eine größere Professionalisierung notwendig ist, vom Ende her zu denken. Genrefilme sind eigentlich per se sogenannte High-Konzept Filme. Eigentlich haben die alle ein Konzept. Meistens muss dieses Konzept so schlüssig sein, dass ich das in einem, im besten Fall 30 Sekündigem Trailer begreife. Auch noch ok in 90 Sekunden. Aber wenn man sagt, das ist einfach nur auch ein Film mit Geistern oder Spannung dann weiß keiner, warum man das schauen soll. Ich will jetzt auch gar nicht polemisch werden aber jetzt ist gerade der Titel „Lost Place“ gefallen. Ich finde zum Beispiel „Lost Place“ ist ein Titel, den hab ich wenn ich rausgehe vergessen. Ich weiß gar nicht, welcher Film das ist, aber wenn ich jetzt zur Tür hinaus gehe, hab ich den vergessen. Und ich bin meiner Firma jetzt – auch erst jetzt, ich lern ja auch dazu – extrem streng geworden, dass das Konzept sofort verstanden werden muss im Poster, im Teaser, im Titel. Also ich sag mal „Teen Wolf“ weiß jeder jetzt noch sofort welcher Film das ist, und der Film ist 20 Jahre alt. Und wenn ich in 20 Jahren frage, was war noch mal „Lost Place“, ist einfach ein Problem. Und das ist nur ein Beispiel, ohne jetzt auf den Film losgehen zu wollen, was für uns alle gilt, dass auch in den erfolgreichen Filmen – „Anatomie“ weiß auch jeder sofort, welcher Film das ist. Das ist ein super Titel, der ist stark und verbindet sich sofort mit dem Konzept was dieser Film enthält. Und das ist was, wo ich jetzt auch selber lerne, wo auch der Fehler bei uns liegt. „Antikörper“ war damals zwar ein starker Titel, der ist aber auch schwierig gewesen mit dem Konzept, weil viele gedacht haben, es geht um antibakterielle Seuchen. Da haben wir dann versucht das mit dem Trailer aufzufangen.
Würde ich vielleicht heute auch nicht mehr so wählen. Da lernen wir alle bisschen dazu. Und gerade bei Genre, gerade bei diesem Teufelskreis. Ich bin da jetzt so streng, was dieses „vom Ende her denken“ angeht. Wir wissen jetzt eigentlich, bevor wir 1 Cent in das wirklich Drehen stecken, wie das Poster aussieht, wie der Trailer aussieht, wie wir den verkaufen, was die Zielgruppe ist und wie wir die erreichen. Und das ist glaub ich was, was Genre sehr viel gefehlt hat, weil sie bisher immer aus der Liebe und dem Enthusiasmus kam. Und man ist so froh als Genrefilmer, man hat so einen langen steinigen Weg – du [Krystof Zlatnik] bist da noch mittendrin. Wenn man dann endlich seinen Film machen darf, dann ist man so happy, dass Leute ja sagen, die vorher nein gesagt haben, dass man dann ganz entsetzt ist, wenn man da alles reingesteckt hat in den Film und dann vergeht ein Jahr und der kommt ins Kino und dann hat er 4.000 Zuschauer. Das ist einfach eine desaströse Erfahrung und da sollten wir draus lernen.
#01:13:08-7# Mark Wachholz: Krys, du hast vorhin gesagt, dass du an der Filmhochschule jetzt nicht so viel über Genre erfahren hast oder dir beigebracht wurde, wie man Spannung erzeugt, oder überhaupt, welche Genres es gibt. Wie schätzen wir hier alle grundsätzlich hier den Stand, die Qualität, das Können ein, genau so was zu machen. Also auch Genre entwickelt sich weiter. Wir sind jetzt nicht mehr in den 20ern, auf die sich Deutschland ja gern noch bezieht mit dem Expressionismus. Eben auch diese „Dämonische Leinwand“ ja genau für diese „Caligari“, „Nosferatu“ und „Metropolis“ Zeit steht. Aber die ist vergangen. Auch die Hammer, „Frankenstein“, „Dracula“-Filme schaut niemand mehr. Also die alten schon, aber wenn man die heute macht, funktioniert es vielleicht nicht. Also es kommen immer neue Impulse aus verschiedenen Ländern. Wo stehen wir da und was müssen wir eigentlich noch alles aufholen und wie soll das gehen? Also geht es über Filmhochschulen oder… – Professor Keil, sie haben ja auch als Dozent gearbeitet. Ich stell das einfach mal in die Runde.
#01:14:14-1# Krystof Zlatnik: Das ist ja auch ein großes Ding… Hitchcock hat mal gesagt, kurz vor Ende seines Lebens: Er ist nicht neidisch auf die Filmemacher, die nach ihm kommen, weil es wurde ja alles schon gemacht. Er fand es schon super schwierig irgendetwas neues zu machen. Wir sind natürlich gerade in einer Zeit, wir haben so viel gesehen, wir kennen so viel, wir haben auch die Technik und du denkst, du bist auch schon da: „Das sieht super aus mit der Unschärfe“, usw. Ja, ich glaube was wir am meisten brauchen und was am meisten in den schulen ausgelassen… – nein, das ist auch quatsch, aber Geschichten erzählen. Also der Grund ist immer natürlich das Buch und ich unterschreib noch mal voll, beim Genrefilm ist auch die Frage, was kommt aufs Poster, was wird dir da verkauft. Das muss klar sein, es muss etwas sein… – „Zurück in die Zukunft“, ich will das sehen mit dem Auto und diese Geschichte.
Wir brauchen auch sehr klare Bilder, weil wir eben vielleicht in den Bauch wollen mit diesen Geschichten. Aber darüber wird tatsächlich nicht gesprochen. Auch an meiner Schule zumindest wurde darüber nicht gesprochen, es gibt keine Expertise. Es gibt Filmemacher aus dem Fernsehen, was auch super ist. Aber da sind wir ja. Wir haben auch keine Vorreiter im Kino – ich kann hoffentlich mich mit Christian noch darüber unterhalten – aber sonst… Es gibt selten jemand… ich kann auch schwer zu Roland Emmerich aufschauen, weil der ist ja einfach weg. Also kann ich schon, aber ich kann das nicht anlegen, an was hier möglich ist.
#01:16:01-4# Mark Wachholz: Woher bekommen wir diese Expertise? Also was wären Möglichkeiten?
#01:16:10-5# Klaus Keil: Das weiß ich auch nicht. Jedenfalls, was Krys gesagt hat. Das ist wirklich zum heulen, das ist so. Also nach meiner Kenntnis der deutschen Filmhochschulen. Ich kenn die ja ziemlich lang und ziemlich gut. Das wird einfach nicht gelehrt. Weil das keinen Stellenwert hat. Weil das keine Bedeutung. Weil es nicht intellel ist oder so was. Ich polemisiere jetzt absichtlich. Ich hab keine wirklich abschließende Antwort darauf.
#01:16:38-8# Mark Wachholz: Wenn ich richtig informiert bin: Vor vier, fünf Jahren hat an der DFFB der Direktor der Hochschule gewechselt und wollte mehr in Richtung Genre-Stoffe gehen. Soweit ich das weiß. Vielleicht ist hier auch jemand von der DFFB dabei? Da hat die komplette Studentenvertretung dagegen rebelliert. Die ist geschlossen zurückgetreten. Dann lief jetzt auf der Berlinale „Der Samurai“ von Till Kleinert, der schon Genre-Drama zumindest mixt, aber auch wiederum von der DFFB glaub ich als ein sehr gewagter Stoff schon tituliert wurde. Und da haben wir es soweit ich weiß noch mit einem Mix zu tun. Also gibt’s überhaupt eine Hoffnung an den Filmhochschulen auf vielleicht eine zukünftige Generation oder Wissen? Oder kann man das gleich vergessen und wo anders suchen.
#01:17:29-6# Norbert Maaß: Ich weiß es nicht. Man kann auf jeden Fall viel mehr machen. Dramaturgie der Spannung lässt sich schon sehr genau und gut studieren. Ich kann mich noch erinnern: Sebastian Niemann, mit dem ich damals an der Münchner Filmhochschule zusammen angefangen habe, der hatte einen ersten Kurzfilm gemacht, „Der Verfolger“. Das war nur eine gut nachgemachte einstudierte, imitierte Jagd durch den Wald. Die hat völlig – sozusagen – alle Schnitte, Kameraeinstellungen saßen. So was muss man ein Mal gemacht haben. So was kann man aber auch viel öfter auch versuchen.
#01:18:02-2# Krystof Zlatnik: Also das ist ja Handwerk.
#01:18:03-9# Norbert Maaß: Das ist Handwerk. Und dann die Dramaturgie der Spannung. Also dass man Spannung immer braucht ist ganz klar. Die Beziehungsspannung, die äußere Spannung. Da gibt es so viel. Aber auch da denke ich, da kann man noch viel Elementarer, noch viel konkreter an Beispielen. Viel, viel, vielgestaltiger und vor allem auch viel praktischer dran arbeiten. Und das andere ist, wenn man sagt: „Das haben wir doch alles schon“. Mein Güte, der Piratenfilm war auch tot und da findet man so ein bisschen so einen heroinjunkyhaften… oder Teenievampire. Plötzlich funktionieren sie wieder. Also kombinieren, kreativ sein. Wirkungsfelder mit nicht mehr funktionierenden Genredingen zusammenbringen und plötzlich wird ein Schuh draus. Also in dieser Richtung glaub ich, da passiert viel zu wenig hier.
#01:18:50-6# Klaus Keil: Also deine Frage: Ist noch Hoffnung an den Filmhochschulen? Ganz eindeutig: Ja na klar, was denn sonst! Vielleicht haben wir zu viele Filmhochschulen, das mag sein. Auf der anderen Seite bedeutet es auch Vielfalt der Studierenden und Programme. Ich kann nur sagen, seit 15 oder 20 Jahren haben wir uns verdoppelt im Marktanteil. Das kommt nicht vom Himmel runter. Das kommt, weil die Leute besser geworden sind. Weil es modernere Dozenten und modernere Professoren, Lehrbeauftragte gibt. Heutiger. Es ist noch nicht alles so richtig super, ja. Aber nein, da hab ich totale Hoffnung. Das ist richtig gut.
#01:19:25-0# Mark Wachholz: Aber wenn überhaupt nicht gelehrt wird, was das Motivinventar oder vor allen Dingen der narrative Kern von Fantasy oder Science-fiction wirklich ist. Also nicht einfach: Ok, Raumschiff…
#01:19:35-8# Christian Alvart: Aber das muss doch nicht gelehrt werden. Also Entschuldigung, ich komme ja nicht von der Filmhochschule. Und ich will gar nicht pro oder contra Filmhochschule reden, weil ich nicht in der Filmhochschule war und deswegen keine Perspektive darauf hab. Aber selbst wenn er auf der Filmhochschule war ist ihm nicht verboten jetzt privat, für sich selber, Kurzfilme zu drehen mit seinen Freunden, oder so ähnlich, wie ich das auch gemacht hab, und einfach Wirkungen zu studieren und zu sehen: Warum funktioniert das nicht? Und immer wieder auszuprobieren. Also ich habe vor meinem ersten professionellen Film 30 Filme gedreht, von denen ich keinen irgendwem zeigen würde. Die also einfach dazu da sind um Dinge auszuprobieren. Und selbst mein erster Film, „Curiosity and the Cat“, war eigentlich noch ein Amateurfilm. Der hat dann – fast leider, muss ich sagen – eine Max Ophüls Nominierung bekommen und wurde dann zu meinem Debutfilm ungeplant.
Aber selbst der basiert noch voll auf dem Spirit – wenn sich dem jemand anschaut – einfach alles mal auszuprobieren. Also da hab ich wirklich in kürzester Zeit gesagt: Ich will so eine Sequenz, ich will so eine Sequenz, ich will das ausprobieren. Also sehr spielerisch probiert, wie man Spannung aufbaut, wie man Suspense aufbaut, wie man eine Action-Szene – da hab ich die erste Action-Szene in meinem Leben gedreht, so eine Dachverfolgungsjagd. Und dann ist das misslungen. Und weil das mein eigener Film ist und ich niemand fragen muss, dann hab ich drei Monate später das einfach noch Mal gedreht. Das kann man doch alles machen. Und heutzutage geht das doch viel leichter. Damals hab ich auf 35 Millimeter gedreht und hab mich auf 10 Jahre verschuldet mit diesem Film. Das ist heute überhaupt nicht mehr nötig. Heut kannst du auf dem iPhone drehen. Das ist überhaupt gar keine Frage, dass man das studieren kann. Wir haben alle Filme dieser Welt zur Verfügung, das hatte keine Generation vor uns – die Möglichkeit sich jeden Film anzuschauen, zu studieren, zurückzuspulen, nachzustellen. Man kann auch mal eine Szene nachdrehen. Einfach mal nachdrehen und schauen, wie funktioniert das, dass die so läuft. Dazu brauche ich nicht fragen: Was macht die Politik, was machen die Filmhochschulen? Wer fördert oder was? Go out and fucking do it!
#01:21:35-8# Klaus Keil: Also das kann ich umreißen mit einem einzigen Wort, was du gerade gesagt hast: Dazu braucht man Leidenschaft! Und gute Qualität entsteht nur und ausschließlich mit Handwerk und Leidenschaft. In der Regel jedenfalls bei den Anfängen ist es Leidenschaft und Selbstausbeutung. Ja, so ist das.
#01:21:54-0# Krystof Zlatnik: Ja, absolut. Und ok – du hast recht! Vergiss die Schulen. Das ist mir jetzt schon peinlich, dass ich das gesagt hab.
#01:22:04-2# Benjamin Munz: Gut ausgebildet sind sie ja alle. Also das sieht man doch hier an den Filmen. Das ist doch alles geil, das sieht doch gut aus. Also am Handwerk fehlt es Deutschland überhaupt nicht. Wir könnten doch bei Tarantino wenn der nach Babelsberg kommt, da sieht es doch auch geil aus und „Cloud Atlas“ auch. Also die Leute sind da. Die Crew ist da, die Technik da. Die Regisseure, Handwerklich, das sieht man ja. Die können das. Am Handwerk, da scheiterte überhaupt nicht in Deutschland, null.
#01:22:29-2# Krystof Zlatnik: Man sagt, das ist wieder so deutsch, sich zu beschweren, dass die anderen das mir nicht beigebracht haben. Oh oh, ich armer Regisseur. Nein, es stimmt. Deswegen sind wir da. Deswegen finde ich es auch toll, das ihr da seid um es euch anzuhören und Sachen anzuschauen. Auch wieder hier der Gedanke.
Wir müssen uns unser Zeug anschauen und wir müssen drüber reden, wir die wir uns kennen. Und drüber reden, wie man es besser macht. Voneinander lernen und jeder probiert sein Zeug aus und macht es.
#01:22:59-6# Mark Wachholz: Ist das eine Frage aus dem Publikum?
#01:23:04-5# Linus de Paoli: Ich wollte dich kurz etwas korrigieren, weil du hattest eben gesagt… – also ich bin Linus de Paoli, der Produzent von „Der Samurai“ und Till sitzt da vorne auch, falls ihr noch was wissen wollt. Ganz kurz zu dieser DFFB Geschichte, weil du meintest, wir hätten uns kollektiv dagegen aufgelehnt, dass Genrefilme gemacht werden sollen, das stimmt nicht. Du kannst an der DFFB sehr gut Genrefilme machen, wenn du möchtest. Es liegt an dir selber. Ich glaube es ist eher so, dass an der DFFB nicht unbedingt die typischen Genrefilmemacher rumlungern und das wir da so ein bisschen die Ausnahme sind. Und „Der Samurai“ hat übrigens bisher die beste Reaktion überhaupt von den DFFB-Studenten in der Abnahme gehabt. Also das wollte ich nur mal korrigieren.
#01:23:39-4# Mark Wachholz: Das ist ja auch schon wieder 5 Jahre her.
#01:23:42-2# Linus de Paoli: Ich möchte einfach nicht, dass dieses Bild: „An Filmhochschulen wird Genre verhindert“, hier stehen lassen, weil das glaube ich nicht. Das ist auch nicht der Punkt. Ich glaube in Deutschland wird Genrekultur nicht gepflegt. Das ist es eher und das hatten wir hier auch schon in der Runde, deswegen will ich es nicht weiter breittreten. Ich wollte es nur nicht so stehen lassen, wie es gewesen ist. Und welche historischen Filmemacher, obs jetzt Tobe Hooper oder Fritz Lang, oder wen du alles nennen möchtest – du kannst Spielberg nehmen, du kannst Rodriguez nehmen, du kannst nehmen, wen du möchtest. Kaum einer von denen hat ernsthaft an der Filmhochschule studiert oder abgeschlossen. Und es kann wirklich nicht die Aufgabe von einer Filmhochschule sein uns beizubringen, wie wir Suspense erzeugen. Das sehe ich genau so. Ich glaube nur, was die Filmhochschule machen könnte und was in Deutschland grundsätzlich insgesamt passieren könnte ist, das mehr Respekt für das Genre da ist.
#01:24:30-2# Krystof Zlatnik: Sehr schön.
#01:24:31-9# Mark Wachholz: Vielen Dank.
#01:24:33-7# Krystof Zlatnik: Ich unterstreiche das auch noch mal. Also an der Filmakademie hatte auch niemand was dagegen, das ich das mache. Das wurde schon unterstütz. Das wollte ich nur noch mal sagen.
#01:24:45-6# Mark Wachholz: Ich frage mich halt manchmal, wenn ich deutsche Filme anschaue, die sehr viel erzählen, aber nicht visuell erzählen wollen, sondern eben einfach die Realität zeigen wollen. Und das ja auch ein sehr großer Aspekt im deutschen Film ist. Dass das eigentlich dem Medium Film eventuell gar nicht so entgegen kommt, weil Film eigentlich visuell erzählt, metaphorisch und eigentlich sehr geeignet dafür ist, in seiner DNA schon Genre zu erzählen. Und wenn einem dann sozusagen beigebracht wird, Filmemachen funktioniert vielleicht… – es ist, die Realität zeigen, so dass man vielleicht gerade als junger Filmemacher verunsichert wird und denkt, das ist jetzt, wie man Film macht.
#01:25:30-2# Till Kleinert: Auch da… sowas erscheint mir sozusagen ein Strohmann Kampf zu sein. Weil das hat mir nie irgendjemand erzählt an der DFFB.
#01:25:40-1# Christian Alvart: Das tun wir ja auch gar nicht. Ich bin ja gar nicht von der Filmhochschule.
#01:25:42-5# Till Kleinert: Da gibts dann so eine Bewegung, da gibts dann die Berliner Schule und plötzlich denke alle, das ist das was da gemacht wird. Klar, vielleicht orientiert sich womöglich der ein oder andere Student daran. Vielleicht kann ich auch nur so Erfolg haben in Deutschland, oder wie auch immer. Aber ich glaube diese Vorstellung, dass da sozusagen verschwörungsmässig irgendwelche Dozenten sitzen und uns irgendwie erzählen, dass nur die Realität geht… ich glaube die würden sich auch freuen, wenn wir sozusagen mehr Mut zum Bild hätten.
#01:26:10-4# Krystof Zlatnik: Okay, aber bist du nicht eine Ausnahme?
#01:26:12-2# Till Kleinert: Nein.
#01:26:13-2# Krystof Zlatnik: Nein?
#01:26:14-0# Till Kleinert: Nein.
#01:26:14-4# Krystof Zlatnik: Gibt es viele „Samurais“?
#01:26:15-8# Christian Alvart: Also ich hab auch vor 10 Jahren – ich weiß nicht, ob ihr Lars Kraume kennt? – der hat auch seinen Abschlussfilm „Life is a Shot to Dance with Ugly Women“ gemacht. Ich weiß nicht, ob ihr den gesehen habt, das ist wirklich 11 Jahre her. Das ist ein knaller Film über einen Banküberfall in einer Einstellung. Also scheinbar in einer Einstellung gedreht. Total Genre. Also gefeiert worden. Damals waren die Abnahmen noch in der Schwangeren Auster. Also es gibt wirklich immer mal wieder Ausnahmen. Deswegen hab ich ja auch gesagt, meine Perspektive auf Filmhochschulen ist der totale Außenseiter. Ich weiß gar nicht, was da abgeht. Ich sage nur, wenn man das Gefühl hat, die Filmhochschule bringt mir was nicht bei, wofür ich mich interessiere, dann hat man absolut heutzutage die Möglichkeit – weil wir die ganze Cinematografie der Welt zur Verfügung haben – sich das, was man vermisst einfach selber beizubringen. Das ist ja eingentlich alles, was ich dazu gesagt hab.
#01:27:03-5# Mark Wachholz: Wir sind jetzt so langsam am Ende der Zeit.
#01:27:10-5# Christian Alvart: Ich wollte nur ein Mal ganz kurz, weil du [Benjamin Munz] das vorhin gesagt hat mit dem „Botschaftenfilm“. Also ich finde, und du hast das schöne Beispiel mit der Homosexualität gemacht. Ich finde das auch. Ich finde das Horror ganz besonders, aber auch Thriller, extrem die Möglichkeit hat sich mit Themen auseinanderzusetzen ohne Botschaftsfilme zu sein und ich wollte da ein Mal ein Beispiel bringen, ein Mal aus meiner Sozialisation: Ich habe zB noch nie so sehr über Konsumverhalten, modernes Konsumverhalten und Kapitalismus nachgedacht wie in „Dawn of the Dead“, dem Originalfilm von Romero, wo man gesehen hat, wie die Zombies noch weiterhin durchs Kaufhaus streifen. Das war für mich so ein starkes Bild, das hat kein intellektueller Artikel jemals wieder hingekriegt, dass ich das so stark empfunden habe. Und ich habe selber einen Film mal gemacht, „Case 39“ für Paramount, auch erst mal ein Film der womöglich überhaupt keine Botschaft enthält, mit einem dämonischen Kind, was Rene Zellweger adoptiert. Man muss aber auch sehen, ich bin selber Vater und habe eine kleine Tochter. Und ich habe sehr stark, sag ich mal, mit dieser Angst auseinandergesetzt, was ist, wenn dein Kind auf die Welt kommt und es ist dir unsympathisch. Oder es ist irgendwie ein kleiner Bastard oder so was. Also etwas, worüber wenig geredet wird und worüber du jetzt natürlich einen Berliner Schule Film machen könntest, wo zwei im Café sitzen und sich direkt eins zu eins darüber unterhalten: „Was ist eigentlich, wenn mein Kind auf die Welt kommt“.. also so, dass wäre ja die „Realitätsabbildende“ Herangehensweise an den Stoff. Und das ist auch legitim, aber das ist für ein bestimmtes Publikum. Ich mag das dann in der Überspitzung. Das ist einfach ein Dämonenkind, was Rene Zellweger dann adaptiert.
Und das ist dann für mich viel stärker, sozusagen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und das hat wahnsinnig Spaß gemacht. Natürlich ist es mir dann nicht so ergangen, ich find mein Kind ganz toll. Aber trotzdem war das für mich eine wirkliche, ernsthafte, intellektuelle, emotionale Auseinandersetzung mit dem Thema, ohne dass ich irgendjemand auf den Sack damit gehe, dass ich jetzt irgendwie wen belehren will oder da ein Drama draus gemacht hab.
#01:29:06-0# Mark Wachholz: Und der Vergleichsfilm wäre ja ein Film über Postnatale Depression in der einfach nur die Frau ihr Kind ständig anschaut, was es auch gibt und was gute Preise gewinnt. Aber eben diesen Relevanzaspekt nur vor sich herträgt, weil er das nicht auf einer metaphorischen Ebene diskutiert.
#01:29:21-8# Christian Alvart: Genau, und das muss man dann auch sagen, das ist dann ein Festivalfilm, der läuft dann überall auf Festivals und hat dann vielleicht 20.000, 30.000 Zuschauer weltweit. Wenn du das für Paramount machst, dann hast du ein paar Millionen Zuschauer. Es ist also auch ein viel größeres Publikum da.
#01:29:34-1# Mark Wachholz: Till, willst du noch was sagen?
#01:29:36-9# Till Kleinert: Ich wollte eher eine Frage stellen.
#01:29:39-3# Mark Wachholz: Ich würde auch übergehen, wir haben nicht mehr so viel Zeit, aber ein bisschen ans Publikum…
#01:29:43-5# Till Kleinert: Genau, weil ich das interessant finde. Was ich in der Diskussion schade fand, wir haben diesen tollen Trailer vorneweg gesehen, wo die ganzen Macher gesprochen haben, warum sie Genrefilm machen wollen, usw. Ich finde etwas schade, dass es sehr lange bei den Besucherzahlen geblieben ist, weil ich mich schon frage: Filme über die sozusagen wenig gesprochen wird, die mich aber am Genre begeistern – ich frage mich, ob das überhaupt eine Rolle hier spielt – sind ja auch gerade die, die dann vielleicht so abwegig sind, dass sie auch tatsächlich in so einem Kontext nicht funktionieren. Das ist für mich ja auch Genre. Also ich freue mich beim Fantasy Filmfest immer, wenn ich einen Takashi Miike Film sehe, der mir gefällt. Nicht jeder von denen ist gut, das weiß auch jeder. Ich freue mich zB total, dass ich jetzt entdecken kann, die Filme von – jetzt habe ich seinen Namen vergessen – „El Topo“, Alejandro Jodorowsky. Das sind auch keine Filme die geplant werden können. Oder du hast gesprochen von der postnatalen Depression.
Es gibt ja auch einen Film, der für mich so ein Grenzgänger ist, den ich auch gut und interessant fand: „We Need To Talk About Kevin“, der sozusagen auch so ein Bastard ist. Du kannst sagen, das ist auch so ein Festival-Arthouse-Streifen. Trotzdem ist der total Visuell. Der ist sozusagen überhaupt kein Beziehungsdrama in dem Leute miteinander sprechen. Und ich frage mich sozusagen auch, wie sehr gibt es eine Offenheit – dann auch sozusagen auf eurer Seite – diesen Genrebegriff auch sozusagen ein bisschen zu lösen von eben diesem Film, über den gesprochen wird, wenn man sich dann fragt, macht der 100.000 oder 500.000 oder eine Million Zuschauer. Weil das hab ich jetzt ein bisschen vermisst.
#01:31:13-4# Mark Wachholz: Also das wäre auch, wenn wir so ein wenig mehr Zeit hätten, ein Topic gewesen: Die Genrevermischung. Also in wie weit die negativ ist indem dem Zuschauer etwas versprochen wird, was er nicht bekommt aber auch positiv, weil wir in den letzten Jahren eigentlich eine Zunahme in der Vermischung von Genrefilm mit Arthousefilm hatten. „Drive“ ist ein gutes Beispiel, oder „Let The Right One In“, die sich von diesen klassischen Mustern lösen und eigentlich auch wieder einen Ausblick geben auf ein modernes Genre, oder moderne Umformungen davon. Nichts desto trotz sind auch diese Filme und auch „We Need to Talk About Kevin“, spielen immer noch mit großen Affekten, mit großen Bildern und haben vielleicht einfach nur neue Themen, die sie dann verpacken in eine etwas „arthousige“ Sprache und auch gut funktionieren. Also das soll überhaupt nicht ausgeschlossen werden. Aber auch das muss man können…
#01:32:06-5# Till Kleinert: Ja, da geb ich dir recht.
#01:32:08-9# Mark Wachholz: Wir wollten eigentlich noch zwei, drei Fragen aus dem Publikum beantworten. Also 5 Minuten haben wir noch.
#01:32:19-2# Christian Alvart: Also ich wollte ganz kurz nur als Antwort sagen, du [Till Kleinert] hast ja auch eine Frage gestellt: Also erstens, diese Filme sind für mich, wenn die super sind… also ich finde nicht… – also warum ist „Let The Right One In“ jetzt ein Gegenbeispiele für irgendwas? Das ist ein 1A Genrefilm. Der war einer der besten Filme in diesem Jahr, der überhaupt rauskam. Hammer erfolgreich, weltweit verkauft. Hollywood Remake.
#01:32:38-6# Krystof Zlatnik: So was bräuchten wir.
#01:32:40-6# Christian Alvart: Dieser Film ist einer der Gründe, warum ich Genre liebe. Weil es kommen ja immer wieder solche Hammerstreifen raus und das Genre erneuert sich ständig selbst. Wenn wir über Zuschauerzahlen hier geredet haben, dann weil das als Kritik oft kommt – als Zustandsbeschreibung – und weil ich natürlich als Filmemacher und als Produzent den Film verkaufen muss, bevor ich ihn überhaupt drehen darf. Und dann brauch ich Positivbeispiele damit ich einem Förderer, einem Verleiher usw. erzählen kann, warum ich den Film mache. Wenn ich zu einem Förderer gehe und erzähle was von „El Topo“, dann werde ich nicht gefördert. Wir haben eben über diese Business-Seite hier gesprochen. Deswegen heißt das nicht, wenn wir Beide jetzt in der Lobby reden über Filme, die wir lieben dann kann das durchaus auch etwas sein, was viel schräger und kunommerzieller ist.
#01:33:22-4# Till Kleinert: Und was wäre denn jetzt zum Beispiel – also ich halte mich nicht für den, der den nächsten „El Topo“ machen will – aber trotzdem wäre das jetzt meine Frage: Was macht denn dann der, der womöglich tatsächlich in der Lage wäre den nächsten „El Topo“ zu machen in Deutschland. Zu wem geht der denn dann?
#01:33:38-8# Christian Alvart: Das ist dann aber, bei diesen Ausnahmefilmen – also der ist ja ein Freak, der Regisseur – und der hat halt Leute gefunden, die ihn ganz besonders sponsern. Und das ist ein Künstler und da kannst du dich als jeder Einzelkünstler überlegen: Wie krieg ich mein Kunstprojekt gefördert. Das fällt aber total aus der Standard-Finanzierung eines Genrefilms hinaus. Also wenn du wirklich einen besonderen Film machen möchtest, der komplett überhaupt keinen Bezug hat zu irgendetwas anderem und möchtest alles neu erfinden und Wände einreißen und so weiter… dann kann ich dir einfach sagen: Du musst auch ungewöhnliche Finanzierungswege gehen.
#01:34:07-6# Benjamin Munz: Der Filmemacher, der Del Torro ist, macht in Deutschland momentan keinen Film, das ist…
#01:34:16-5# Alexander Scherer: Guten Abend, mein Name ist Alexander Scherer, ich komme aus Frankfurt, bin extra für die Berlinale her gekommen und wollte es mir nicht nehmen lassen heute mal hier zu sein. Ich habe zwei Fragen, oder zwei Punkte, die ich anregen möchte. Der Herr Maaß hat am Anfang darauf angesprochen, auf den Urmythos, die deutschen Urängste, Urkräfte, die ja das deutsche Stummfilmkino ausgemacht haben. Es gab auch auf der Internetseite [http://www.genrefilm.net] mal einen Interessanten Artikel zum Thema: „Deutsche Helden im Kino“. Ich glaube der Anlass war der RTL-Eventfilm „Wir sind Helden“. Ich weiß jetzt nicht mehr, wer den geschrieben hat.
#01:34:58-3# Mark Wachholz: „Helden – Wenn dein Land dich braucht“
#01:35:00-4# Alexander Scherer: Also wollte ich auf den Stichpunkt deutsche Helden zum sprechen kommen. Jetzt haben wir ja anscheinend in Deutschland doch ein kleines Problem mit Helden. Heldengeschichten mit deutschen Helden? Mag eben nunmal an unserer Vergangenheit im 2. Weltkrieg liegen und das sozusagen mit dem Bruch, mit den 68er, mit dem 70er Jahre Kino man sich versucht hat, davon zu entfernen. Nichts desto trotz brauchen Genrefilme auch Helden – Heldenkino. Deswegen meine Frage allgemein an die Runde und besonders an den Christian. Was ist eure Antwort auf deutsche Heldenkonzepte. Und an den Herrn Keil hätte ich noch eine Frage zum Thema Filmförderung: In Deutschland sind die meisten Filme ohne Filmförderung nicht zu machen. Und auch Filmförderung und Fernsehen – die Fernsehsender hängen da Hand in Hand zusammen. Meine Frage wäre da: In wie weit ist nicht auch aus ihrer Sicht die Filmförderung ein Problem, Unterhaltungskino fähig zu machen. Denn die meisten Produktionen kommen ohne Förderung nicht aus. Die sind selbständig wirtschaftlich nicht autark und das sollte das Ziel jeder Produktion, jedes Produzenten sein, es aus eigenen Kräften weitgehend möglichst zu schaffen.
#01:36:25-2# Klaus Keil: Ich lese mal von einem Journalisten Namens Patrick Wildermann einen Artikel über das kollektiv „Schattenkante – Samurai“. „Der einsame Krieger kommt aus dem Wald. Er trägt ein weißes Kleid zum wallenden blonden Haar und ist mit einem Schwert bewaffnet. Er hinterlässt eine Schneide der Verwüstung, köpft Gartenzwerge und bald auch Menschen. Und dennoch fühlt sich der schüchterne Dorfpolizist Jakob seltsam hingezogen zu diesem wölfisch grinsenden Finsterling. „Der Samurai“ von Regisseur Till Kleinert ist ein freudianisch aufgeladener trashiger Horror-Thriller, dem man einen hiesigen Talent so kaum zugetraut hat. Die Geschichte der entfesselten Bestie sprengt mit ihrer wilden Fantasie den Vorgartenhorziont der meisten deutschen Produktionen.“ Vielleicht auch der meisten deutschen Filmförderer? Wenn sie so was hören und lesen? Da haben die doch Schiss. Das können die nicht fördern. Das ist immanent unterschwellig Schrott. Glaube ich, ist meine These. Deswegen ist das so. Und dass die Förderer keine Genrefilme fördern ist eine Legende, das ist alles quatsch. Weil Genre so breit ist. Die fördern vielleicht nicht exzessiv Horror oder ich weiß nicht was. Das vielleicht nicht. Wenns gut gemacht ist, wenn der Regisseur, wenn der Autor, die Kamera, die Produktionsfirma okay ist, dass man es ihnen zutraut, dann wird das gefördert. Die Förderer brauchen doch erfolgt. Die wären doch Idioten, wenn sie gutes Material nicht fördern würden.
#01:38:06-4# Mark Wachholz: Professor Keil, ich habe einen Vorschlag noch und dann können wir vielleicht noch zur letzten Frage schreiten: Würden sie eine Delegation des Neuen Deutschen Genrefilms unterstützen, vielleicht ein paar Autoren oder Regisseuren, mit ihren Genrestoffen bei der Förderung vorstellig zu werden. Also nicht irgendwelche Mauschelware, sondern schon ordentliche Genreproduktionen, auch Horror oder so. Wäre das denkbar?
#01:38:34-2# Klaus Keil: Noch ein Job. Klar wäre das denkbar. Aber ich will gleich sagen, wenn man Filmförderung ernsthaft, umsichtig und perspektivisch betrachtet, dann ist das etwas sehr komplexes. Also jedenfalls so wie ich das betrieben habe, als Intendant; ich war ja der Alleinentscheider sozusagen, obwohl ich natürlich Referenten hatte, ist doch klar. Aber ich habe alle Filme, die abgelehnt wurde, alle Projekte die abgelehnt wurden hab ich persönlich abgesagt. Die Zusagen haben die Referenten gemacht, weil das ist easy.
#01:39:06-2# Alexander Scherer: Haben sie mit Begründung abgesagt?
#01:39:07-6# Klaus Keil: Ja Entschuldigung, wenn ich telefoniere, oder die Leute kommen, dann muss ich doch begründen. Und ich war immer dann gut, wenn ich einen Dankesbrief gekriegt habe.
#01:39:16-0# Alexander Scherer: Also ich habe auch schon mal eingereicht mit einem Projekt bei der Filmförderung. Hätte ich nicht angerufen…
#01:39:21-1# Klaus Keil: Bei der Hessischen?
#01:39:21-9# Alexander Scherer: Bei der Hessischen.
#01:39:22-7# Klaus Keil: Okay.
#01:39:25-2# Alexander Scherer: …also von der Förderung eine Antwort zu bekommen. Sie müssen da selbst vorstellig werden, sie müssen einen Buckel machen auf gut Deutsch, ich sags mal bewusst überspitzt. Sie müssen da hingehen, sie müssen sich kümmern und sie kriegen keine Absage…
#01:39:46-7# Klaus Keil: Ja, so ist es. Genau so ist es. Es ist das billigste Geld der Welt.
#01:39:50-2# Alexander Scherer: Das billigste Geld der Welt?
#01:39:51-2# Klaus Keil: Da müssen sie was tun dafür, stimmt.
#01:39:53-2# Mark Wachholz: Also zur Filmförderung, wir sehen, es gibt da noch ein paar offene Fäden. Ich würde die Diskussion gern grundsätzlich auf einen zweiten Teil packen.
#01:40:00-4# Christian Alvart: Ich wollte ein Mal zu dieser Legende, dass Genrefilm nicht gefördert wird sagen, dass alle meine Filme gefördert wurden. Und das sind alles Genrefilme. Also ich hab Science-Fiction Horror gemacht, reinen Horror, „Antikörper“ ist ein Serienkiller Thriller, der ist gefördert worden hier vom Medienboard. „Captain Future“ hat Förderung bekommen, das ist eine Science-Fiction Space Opera. Also das hat auch damit zu tun natürlich, wie man das Paket präsentiert. Und Herr Keil hat recht, man muss sehr viel dafür tun, man muss mit seinem Förderreferenten zusammenarbeiten. Man muss eine Vision pitchen, die die Leute begeistert, das ist genauso wie bei jedem anderen Investor auch. Ich behandele die Förderer eigentlich wie Investoren, also ich muss die einfach mitreißen mit meinem Projekt. Auch mit einem Genreprojekt.
#01:40:39-5# Klaus Keil: Bingo, Bingo, genauso gehts.
#01:40:41-8# Christian Alvart: Und zu dem Heldenthema kann ich nur sagen, persönlich als Filmemacher – es kann sein, dass das Kino Heldenmythen braucht. Mein persönlicher Geschmack… ich hab ein ganz großes Desinteresse an Helden. Also ich langweile mich fast immer an Genres, die an Helden hängen. Selbst der neuste „Superman“, der extrem gefeiert wurde. Ich bin da einfach gelangweilt. Also ich mag viel lieber die Story eines einfachen Menschen wie du und ich, der Kraft seiner eigenen Überwindung sich seinen Ängsten stellt. Ich sag mal, für mich die ultimative Heldin ist Ellen Ripley aus „Alien“, die sozusagen einfach eine von vielen ist und einfach ein wenig mehr Durchblick hat, als alle anderen.
#01:41:20-3# Mark Wachholz: Die aber erzählerisch schon eine Heldin ist, im Film.
#01:41:23-2# Christian Alvart: Wird! Also jemand, der erst über sich selbst hinauswachsen muss, der von der Ausgangslage ist, so wie wir alle, weil da kann ich mich besser identifizieren.
#01:41:31-6# Mark Wachholz: Ich glaube das meintest du [Alexander Scherer] aber auch. Okay, ich krieg aus der Regie das Zeichen, dass jetzt die Zeit rum ist. Ja, also wir haben ein bisschen im Grab des deutschen Genrefilms gegraben und einiges hervorgeholt. Wir können das sicherlich noch fortsetzten, vielleicht bald. Spätestens vielleicht in einem Jahr. Es gibt viel zu tun. Ich bedanke mich total für das Plenum hier, für das Podium. Krystof Zlatnik, vielen Dank. Christian Alvart, Benjamin Munz, Klaus Keil und Norbert Maaß. Und euch natürlich für euer Interesse und das Zuhören. Und es gibt bestimmt noch viel viel zu diskutieren. Vielleicht ja gleich oder in den nächsten Tagen. Haltet mit uns Kontakt. Vielen Dank.